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Daemonenblut

Daemonenblut

Titel: Daemonenblut
Autoren: Brigitte Melzer
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Prolog
    Fackelschein erfüllte das alte Gemäuer. Ein Luftzug fuhr mit leisem Raunen durch den Raum und ließ die Flammen tanzen. Schatten zuckten über die Wände und wuchsen zu Monstern aus undurchdringlicher Dunkelheit an, nur um einen Augenblick später wieder in sich zusammenzufallen, ehe sie sich erneut erhoben.
    Der Oberste Bewahrer stand reglos in der Mitte des Raumes. Feuchte Kälte kroch durch den Stoff seines Anzuges, fraß sich durch die Haut und nistete sich in seinen Knochen ein. Früher einmal hatte ihm die Kälte nichts ausgemacht, mittlerweile jedoch spürte auch er den voranschreitenden Verfall. Einen Verfall, der mit dem Tod des Mannes begonnen hatte, dessen Leichnam in dem steinernen Sarkophag vor ihm lag.
    Seinesgleichen war nicht unsterblich, doch dank der ihnen gegebenen Macht– der Macht des Zirkels– spürten sie die Last des Alters weit weniger als andere. Sie alterten langsamer, was ihnen eine längere Lebensspanne bescherte. Es war noch gar nicht so lange her, da waren dem Obersten Bewahrer Krankheiten gänzlich unbekannt gewesen. Das war nun anders. Rheuma und eine Neigung zu erhöhtem Blutdruck hatten sich eingestellt. Neulich hatte ihn sogar eine Grippe befallen!
    Das alles wäre undenkbar gewesen, wäre Severius noch am Leben. Sein Tod hatte den Zirkel gebrochen und eine Lücke hinterlassen, durch die die Macht der Bewahrer nun Stück für Stück zu versickern drohte, wie Milch, die aus einem leckgeschlagenen Karton rann.
    Das musste ein Ende finden! Bevor es zu spät war und sie nicht länger imstande waren, ihrer Aufgabe nachzukommen.
    Er streckte die Hand nach dem Sarkophag aus und strich bedächtig über den Rand. Der Stein fühlte sich unter seinen Fingerspitzen kalt und rau an. So leblos wie der Körper, der sich darunter verbarg.
    » Bald « , flüsterte der Oberste Bewahrer. » Bald wirst du deinen Platz in unserer Mitte wieder einnehmen. «
    All die Jahre der Vorbereitung, all die Mühen und Opfer, die er auf sich genommen hatte, näherten sich ihrem Ende. Nur noch ein bisschen mehr Essenz…

1
    Die Augen des Totenkopfes leuchteten auf. Zwei rot glühende Höllenschlünde, die mich ebenso zu verhöhnen schienen wie das gehässige Gelächter, das aus seinen klaffenden Kiefern schallte.
    Könnte er sprechen, hätte er mir vermutlich vorgehalten, dass mein Leben in etwa so spannend war wie das einer Leiche. Oder eines Totenschädels. Aus meiner Clique war ich die Einzige, die ihre Sommerferien zu Hause verbrachte. Alle schienen das zu wissen– sogar dieser blöde Plastikschädel vor mir im Regal.
    Riley Summers, die Daheimgebliebene.
    Hahaha!
    Seufzend stieß ich mit dem Stiel des Staubwedels gegen den Kippschalter. Schlagartig verstummte das Lachen, das rote Licht in den Augen erlosch. Egal, wie oft ich das dusslige Ding auch abstaubte, es war mir noch nie gelungen, den Schalter zu verfehlen, der es zum Leben erweckte.
    Ich drehte dem Regal den Rücken zu und ließ den Blick durch den Laden wandern.
    In ein paar Minuten würden wir aufsperren und im Laufe des Tages das übliche Pensum an Touristen abfertigen, für die wir schwarze Hexenhüte, krumme Pappnasen, Warzen zum Aufkleben und Totenschädel aus Plastik auf Lager hatten; alles wahlweise in Originalgröße, als Kühlschrankmagneten oder Schlüsselanhänger. Zusätzlich zu Postkarten und Tassen mit verschiedensten magischen Motiven verkauften wir eine große Auswahl an bunten » Zaubertränken « in hübsch verzierten Glasfläschchen. Obwohl es sich dabei nur um gefärbtes Zuckerwasser handelte, gehörten die Tränke zu unseren Verkaufsschlagern. Allen voran natürlich der Liebestrank.
    Das Zeug für die Touristen und Neugierigen war ein Kompromiss, wie Madame Veritas, die Besitzerin des Hexenkessels, immer betonte. Einer, der dafür sorgte, dass die Kasse klingelte.
    Neben dem ganzen Kitsch führten wir auch echten Hexenbedarf, der den heimeligen Verkaufsraum in ein Zauberland aus dunklem Holz, blutrotem Samt und geheimnisvollen Büchern und Gegenständen verwandelte. Alles überlagert vom würzigen Geruch der Räucherstäbchen, die neben der Kasse vor sich hin kokelten.
    Jonah, Madames rechte Hand und der Einzige, der neben ihr Vollzeit arbeitete, kam mit einer Kiste aus dem Lagerraum, stellte sie hinter dem Kassentresen ab und betrachtete mich mit gerunzelter Stirn. » Du machst ein Gesicht, als hätte dich jemand zu einer zwölfstündigen Diavorführung eingeladen. «
    » Dias? Aus welchem Jahrtausend stammst du
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