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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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umspült war. Die grüne Insel war die schönste Vorstellung gewesen. Ich hatte schon ein paar Mal Dinge geträumt, die wahr wurden, und ich fragte mich, ob dies wieder so ein Traum gewesen sei. Aber die Erinnerung daran verblasste bereits. Ich seufzte, schob die Felldecken zur Seite, in die ich mich zusammen mit Eldri eingerollt hatte, und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Neben der Feuerstelle des Häuptlings saß eine Person, die ich noch nicht gesehen hatte, und trank Tee aus einer schlichten Tontasse. Zuerst fielen mir der lange braune Zopf und der blaue Umhang auf, dann, als sie sich umwandte, das tätowierte Zeichen einer Priesterin zwischen ihren Brauen. Der blaue Halbmond war noch hell, und das glatte Gesicht war das eines Mädchens. Sie war noch nicht lange zur Priesterin geweiht. Dann wandte sie sich mir zu, als habe sie gespürt, wie ich sie betrachtete. Vor ihrem entrückten, alterslosen Blick schlug ich die Augen nieder.
    »Das ist Suona«, sagte Korinthius und klopfte mir auf die Schulter. »Sie ist im Morgengrauen eingetroffen.«
    Ich fragte mich, wie der Häuptling sie wohl gerufen haben mochte. Hatte das Feenvolk die Botschaft weitergeleitet, oder gab es einen geheimen Zauber?
    »Ist das die Jungfrau?«, fragte Suona.
    »Die Tochter des Prinzen Coelius von Camulodunum«, antwortete Korinthius. »Ihre Mutter indessen kam von Avalon.«
    »Für eine Jungfrau, die hier ihre Ausbildung beginnen will, sieht sie schon alt aus.«
    Korinthius schüttelte den Kopf. »Sie ist groß für ihr Alter, aber sie hat erst zehn Winter erlebt. Des Weiteren ist Helena nicht ohne Bildung. Sie wurde im Gebrauch ihres Verstandes ebenso geschult wie in allen Frauenarbeiten. Sie kann Latein lesen und schreiben und mit Griechisch kennt sie sich auch ein wenig aus. Auch Rechnen hat sie gelernt.«
    Suona schien das alles nicht sehr zu beeindrucken. Ich schob das Kinn vor und begegnete gelassen ihrem dunklen Blick. Einen Augenblick lang spürte ich ein merkwürdiges Prickeln im Kopf, als sei mein Geist gestreift worden. Dann nickte die Priesterin unmerklich, und es hörte auf. Zum ersten Mal sprach sie mich dann direkt an.
    »Ist es dein Wunsch oder der deines Vaters, nach Avalon zu gehen?«
    Das Herz schlug mir bis zum Hals, doch ich war erleichtert, als meine Stimme nicht schwankte. »Ich möchte nach Avalon gehen.«
    »Das Kind soll noch das nächtliche Fasten brechen, dann sind wir bereit«, sagte Korinthius, doch die Priesterin schüttelte den Kopf.
    »Nein, du nicht, nur die Jungfrau. Einem Fremden ist es verboten, einen Blick auf Avalon zu werfen, es sei denn, die Götter rufen ihn.«
    Im ersten Moment wirkte der alte Mann bestürzt, doch dann neigte er das Haupt.
    »Korinthius!« Tränen brannten mir in den Augen.
    »Mach dir nichts daraus«, er tätschelte mir den Arm. »Für einen Philosophen ist jegliche Zuneigung vergänglich. Ich muss mich um mehr Gelassenheit bemühen, das ist alles.«
    »Aber wirst du mich denn nicht vermissen?« Ich klammerte mich an seine Hand.
    Einen Augenblick lang saß er mit geschlossenen Augen da. Dann stieß er mit einem langen Seufzer den Atem aus.
    »Du wirst mir fehlen, Herzenstochter«, antwortete er leise. »Auch wenn das meiner Philosophie widerspricht. Aber du wirst neue Freunde finden und Neues lernen, keine Bange.«
    Ich spürte, wie sich Eldri auf meinem Schoß rührte, und der qualvolle Augenblick schwand dahin.
    »Ich werde dich nicht vergessen…«, sagte ich beherzt und wurde mit seinem Lächeln belohnt.

    Gespannt hielt ich mich fest, als die Bootsleute zu staken begannen und die Barke sich still vom Ufer löste. Über Nacht hatte sich neuer Nebel über dem Wasser gebildet, und die Welt jenseits des Dorfes war eher zu spüren denn zu sehen. Ich war erst einmal auf einem Boot gewesen, damals, als wir die Themse bei Londinium überquert hatten. Mich hatte der ungeheure reißende Strom des Flusses völlig aufgewühlt, und ich war den Tränen nahe, als wir das andere Ufer erreichten, denn man hatte mir nicht erlaubt, dem Fluss bis zum Meer zu folgen.
    Auf dem See spürte ich vor allem Tiefe, was merkwürdig war, denn die Bootsleute kamen mit ihren Stangen noch immer auf den Grund, und ich konnte die schwankenden Stiele des Röhrichts unter der Wasserlinie sehen.
    Doch das, was ich vor Augen sah, erschien mir wie ein Trugbild. Ich fühlte Wasser, das unter dem Boden des Sees entlangfloss, und mir wurde bewusst, dass ich es schon gespürt hatte, sobald wir uns aufmachten, die
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