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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer
Autoren: Gerd Scherm
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Zeitalter, Die Große Flut und Die Kleine Karawane.
    Letztere enthielt den Bericht des Auszugs der Tajarim aus Ägypten unter Seshmosis' Führung. An sich nichts Besonderes, wenn es Seshmosis gewesen wäre, der diesen Bericht geschrieben hätte. Aber statt seiner wirkte hier GON persönlich. Nun, nicht ganz persönlich, er benutzte einen Helfer. Seshmosis erinnerte sich an sein Entsetzen, als er von seinem Gott erfahren musste, dass die Schriftzeichen auf dieser Heiligen Rolle aus dem Hinterleib eines Käfers stammten.
    Verzweifelt wandte sich Seshmosis an den kleinen Gott: »Wo hat Raffim die Rollen versteckt? Was hat er mit ihnen vor? Er kann doch außer Zahlen kaum etwas lesen.«
    »Das, mein Lieber, musst du selbst herausfinden«, antwortete die Katze und verschwand.
     
    *
     
    Da GON nicht bereit war, ihm in dieser Angelegenheit zu helfen, flehte Seshmosis Toth an, den ägyptischen Gott der Gelehrsamkeit, dazu dessen Gattin Seshat, Göttin der Schreiber und der Archive, und Imhotep, der ebenfalls für die Schreiber zuständig war. Außerdem rief er vorsichtshalber die örtlichen Götter von Byblos an, Baal, Astarte und Mot. Allerdings bezweifelte er bei Letzterem, dass dieser ihm bei der Wiederbeschaffung der Heiligen Rollen helfen könnte. Denn Mot war der Gott der Unterwelt, der »Große Verschlinger«, und daher von Natur aus eher destruktiv veranlagt.
    Seshmosis konnte ruhigen Gewissens auch diese Gottheiten anrufen, da GON in seinen sechs Geboten dies ausdrücklich gestattete. Denn das erste Gebot lautete:
    »Ich bin der Herr, dein Gott, den du verehren sollst, wie auch respektieren alle Mächte der universalen Schöpfung und alle Natur, die dich umgibt. Und verlasse dich nie darauf, dass es woanders keine anderen Götter gibt.«
    Und so versprach er sich besonders von Seshat, der Bewahrerin der Archive, Hilfe. Außerdem gefiel ihm ihr Name, denn er bedeutete »Schreiberin«. Erst kürzlich hatte er hier in Byblos eine kleine Statue von ihr erworben. Diese zeigte eine junge, schlanke Frau, gehüllt in ein Leopardenfell, mit einem Schreibrohr in der einen und einem Tintenbehälter in der anderen Hand. Auf dem Haupt trug sie einen auffälligen Kopfputz, bestehend aus einer Rosette mit sieben Zweigen und einem umgekehrten Bogen darüber. Diese Figur stand nun bei den wenigen Habseligkeiten, die er aus seiner Schreibstube in Theben mit in die neue Heimat gerettet hatte: die kleine silberne Mondbarke der Göttin Nut, das Pavianfigürchen aus Elfenbein des Gottes Toth und der Skarabäus aus grünem Schmelzglas. Seshmosis war froh, dass Raffim ihm diese persönlichen Erinnerungsstücke nicht auch noch gestohlen hatte. Aber sie stellten materiell keinen besonderen Wert dar, und deshalb lagen sie außerhalb von Raffims Wahrnehmung und Begehrlichkeit.
    Nun musste er also selbst herausfinden – möglichst mit Hilfe gnädiger Götter –, wo Raffim die Rollen versteckt hielt und was er mit ihnen vorhatte.
     
    *
     
    Aram war Bademeister und tot, und dies schon zum zweiten Mal. Als Aram noch gelebt hatte, hatte er das Badehaus zu Theben geleitet, und obwohl es ihm nicht gehört hatte, war die Arbeit dort für ihn die Erfüllung seines Lebens gewesen. Die Aussicht, das Haus und das von ihm über alles geschätzte Wasser verlassen zu müssen, um mit den Tajarim durch eine wasserlose Wüste in ein unbekanntes Land zu ziehen, hatte ihm den Selbstmord als die bessere Zukunft erscheinen lassen. Zu seinem Bedauern hatte ihn Raffim, dem unter mysteriösen Umständen das göttliche Ankh des Krokodilgottes Suchos zugefallen war, damit wieder zu nicht mehr gewolltem Leben erweckt. Doch Anubis, der schakalköpfige Gott des Totenreichs, hatte Aram gnädig ein zweites Mal erlöst, und so wandelte er nun als Toter in Amentet, dem Reich jenseits des Sonnenuntergangs. Allerdings empfand Aram sein Dasein hier als äußerst unbefriedigend. Es gab kein Badehaus in Amentet.
    Das Totenreich war der Wohnsitz diverser Götter und sah auf den ersten Blick aus wie eine ganz normale ägyptische Stadt. Erst auf den zweiten Blick fiel auf, dass hier statt des Nils ein tiefschwarzes Meer den Ort umgab. Und dass es in der Stadt keine Tempel gab. Doch Götter brauchen ja keine Tempel, zu wem sollten sie denn beten?
    Es lebten hier aber auch Menschen. Allen war gemeinsam, dass sie ihr Leben bereits hinter sich und bei der Verhandlung vor dem Großen Gericht bestanden hatten, im Gegensatz zu den Verlierern beim Totengericht, denn diese verschwanden
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