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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer
Autoren: Gerd Scherm
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auf Nimmerwiedersehen im Rachen des zahnreichen Babi oder eines anderen, immer hungrigen Dämons der Finsternis.
    Doch auch die Gewinner waren keineswegs zu beneiden. Denn der Alltag in Amentet stand im krassen Gegensatz zu den Vorstellungen der Gläubigen, im Jenseits ein komfortables, herrschaftliches Dasein auf einer anderen Ebene zu führen. Im Gegenteil: Sie arbeiteten hier als Sklaven der Götter.
    Die Ägypter pflegten ihren Verstorbenen so genannte »Uschebti« mit ins Grab zu geben, mehr oder weniger kunstvoll gefertigte Figuren, die den Toten im Jenseits dienen sollten. Nun gab es im Totenreich durchaus Diener, sehr viele sogar. Allerdings waren dies keineswegs die lebendig gewordenen Figuren, sondern durchweg verstorbene Menschen, die alle schweren Prüfungen des Totengerichts bestanden hatten.
    Der Brauch mit den Uschebti-Figuren entsprang ganz einfach einem Missverständnis in der Kommunikationskette »Gott – Priester – Mensch«: Die Götter wollten Diener für sich und nicht für die Verstorbenen.
    Nun zierten die schönsten der in die Gräber gelegten Uschebti-Figuren als leblose Dekorationsstücke die Wohnungen der Götter, und diejenigen, die den Haushalt der Götter versorgten und alle anfallenden Arbeiten ausführten, waren erlöste Verstorbene. Das Totengericht sorgte lediglich dafür, dass nur qualifiziertes Personal nach Amentet kam.
    Auf Grund seiner besonderen Beziehung zu Anubis hatte man Aram dessen Haushalt zugeteilt. Doch der schakalköpfige Gott weilte selten zu Hause, denn seine Tätigkeit als Totenrichter nahm ihn meist auswärts in Anspruch. Gestorben wurde schließlich immer und überall. Außer in Amentet natürlich.
    So polierte Aram nunmehr seit zwei Jahren göttliche Artefakte und räumte in Anubis' Wohnung Möbel von einer Ecke in die andere. Mal platzierte er die ungepolsterte Meditationsliege neben dem riesigen, bedrohlichen Ahnenschrein des Gottes, mal stellte er den Arbeitstisch an die mit schrecklichen Dämonenfratzen bemalte Wand, dann wieder frei in den Raum neben der mannshohen Skulptur aus ungezählten Schädeln.
    Doch der anfängliche Elan war längst dahin, und Aram langweilte sich zu Tode, besser gesagt im Tode. Er hatte sich das Jenseits anders vorgestellt, irgendwie lebendiger. Doch dann kam ihm eine Idee.
    Als Anubis wieder einmal zu Hause weilte, wagte er den Gott anzusprechen: »Gnädiger Herr, als Euer nichtswürdiger Diener würde ich Euch gern einen Vorschlag unterbreiten.«
    Anubis, der es sich auf seiner Meditationsliege bequem gemacht hatte, blickte auf. »Aram! Warum störst du mich in meinen Träumen?«
    »Verzeiht, Herr, ich wusste nicht, dass auch Götter träumen.«
    »Das Träumen ist eine unserer größten Schöpfungen. Warum sollten wir es nicht selbst genießen und nutzen?«
    Der verwirrte Aram vergaß sein eigentliches Anliegen und fragte neugierig: »Großer Anubis, aber wovon träumt Ihr, der Ihr doch das Ende aller Träume seid?«
    »Genau davon! Davon, nicht das Ende des Lebens zu sein, sondern sein Anfang. Fortan nicht mehr länger als der Gott der Toten zu wirken. Das dauernde Sterben ermüdet mich. Ich wünschte, es gäbe eine andere Perspektive für mich. Gott der Geburtshelfer wäre eine konstruktivere Tätigkeit, aber darum kümmert sich ja schon Taweret, die flusspferdgestaltige Göttin der Geburt. Und um die Schwangeren der zwergenwüchsige Bes. In Ägypten ist jede kleinste Kleinigkeit göttlicher Zuständigkeit schon vergeben, vieles sogar doppelt und dreifach. Es ist deprimierend! Als Gott hast du einfach keine Entwicklungsmöglichkeiten. Hier gibt es nichts, das mich aufheitern könnte«, seufzte der Gott.
    Aram sah seine Chance gekommen. Anubis war, genau wie er, mit seiner Situation unzufrieden. Mutig unterbreitete er ihm deshalb sein Anliegen: »Das tut mir leid für Euch, Herr. Vielleicht könnte mein Vorschlag für etwas Zerstreuung sorgen?«
    »Welcher Vorschlag?«
    »Mir ist aufgefallen, dass es in Amentet an einem Badehaus mangelt. Wie Ihr wisst, Herr, kenne ich mich mit Badehäusern sehr gut aus. Und mir ist durchaus bekannt, dass auch Götter das Vergnügen eines wohltuenden Bades schätzen.«
    »Aram! Ich hoffe, du spielst nicht auf einen gewissen Vorfall zwischen Hathor und Seth an.«
    Einst hatte Seth, der Eigenbrötler unter den Göttern, die Fruchtbarkeitsgöttin Hathor beim Baden beobachtet. Eigentlich war ihr Anblick für die meisten männlichen Götter nicht sehr aufregend, da Hathor gemeinhin kuhgestaltig zu
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