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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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nicht bekommt ?«
    »Quatsch!« sekundierte Bromberg.
    »Zumal ich über Mützen nicht zu bestimmen habe«, warf Karetnikow mit sanftem Lächeln ein.
    »Es ist völlig klar«, schloß Solonow, »daß Rachlin nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hat, sondern im Auftrag der Feinde unserer Literatur, der Feinde unseres Regimes.«
    »Richtig!« bestätigte Tscherpakow. »Das ist nicht Rowdytum, sondern Terror. Und zwar politischer Terror. Früher wurde man dafür an die Wand gestellt, und das war richtig.«
    Von nun an schrieb Efim nicht mehr mit. Er legte sein Notizbuch auf den freien Stuhl neben sich und sah zuerst Tscherpakow, dann Lukin und schließlich Karetnikow an, wobei er entdeckte, daß der Mann in Grau bereits gegangen war, und der Blonde auf dessen Platz saß und sich kämmte.
    Mit seinem herausfordernden Gebaren während der letzten Tage hatte Efim alle möglichen Komplikationen in Kauf genommen, aber mit derart schwerwiegenden Anschuldigungen hatte er nicht gerechnet. Nun war er entsetzt, begann zu schlottern und zu stammeln, seine Kollegen hätten ihn mißverstanden, er habe keineswegs im Auftrag, sondern ausschließlich im Affekt gehandelt und bedauere heute sein Verhalten. Nach achtzehnjähriger Mitgliedschaft im Schriftstellerverband, als Autor von elf Büchern, wobei alle elf von guten sowjetischen Menschen, Vertretern großartiger Berufe...
    »Warum erzählen Sie uns das alles ?« knarrte Lukin.
    »Ausflüchte!« triumphierte Tscherpakow und machte einen Schritt auf Efim zu. »Er windet sich und möchte die Spuren verwischen. Da haben wir sie, die typische zionistische Taktik !«
    »Mund halten!« schrie Efim plötzlich und stampfte auf.
    »Warum soll ich den Mund halten?« Tscherpakow rückte mit dreistem Lächeln immer näher. »Ich bin nicht hierhergekommen, um den Mund zu halten.«
    »Mund halten!« wiederholte Efim. Er duckte sich plötzlich, zitterte und streckte beide Arme vor. »Mund halten!« brüllte er und stürzte auf Tscherpakow zu.
    Und da geschah das Unvorstellbare.
    Tscherpakow erschrak, wurde kreidebleich, schrie: »Er beißt!« und kroch unter Lukins Tisch. Lukin, völlig verwirrt, stammelte immer wieder: »Viktor Petrowitsch, Viktor Petrowitsch, bist du verrückt?!« und trat mit den Füßen nach Tscherpakow. Inzwischen hatte Efim Position vor dem Schreibtisch bezogen, er folgte seinem Jagdinstinkt und wollte tatsächlich zubeißen, aber als er sich bückte, geschah mit ihm etwas Seltsames. Plötzlich hatte er einen süßlichen Geschmack auf den Lippen, und er sah Stichflammen wie beim Elektroschweißen. Eine, noch eine und noch eine... Eine Stichflamme löste die andere ab, und alle gingen schließlich in einem einzigen wunderbaren Leuchten auf, während Efims Leib immer leichter wurde. Als weißer Schwan tauchte er unter dem Tisch hervor und stieg in die Flöhe, während die Sitzungsteilnehmer unter ihm kleiner und kleiner wurden und ihm mit zurückgeworfenen Köpfen und vor Erstaunen offenen Mündern nachschauten.
    Efim wurde in die Intensivstation der Botkin-Klinik eingeliefert. Die Diagnose war klar: linksseitiger Insult mit Ausfall des Sprachzentrums und weitgehender Lähmung des rechten Arms.
    »Sein Zustand ist sehr ernst«, sagte der junge Arzt, der stark nach Tabak roch und einen rostigen Raucherschnurrbart hatte, zu Kukuscha. Er glaubte offensichtlich, daß sie das Gesagte nicht realisierte und fügte nach einigem Überlegen hinzu: »Sehr ernst.«
    »Was kann ich für ihn tun ?« fragte Kukuscha hilflos.
    »Sie ?« Der Arzt lächelte. »Sie können höchstens versuchen, ihn in Ruhe zu lassen.«
    »Jaja«, nickte Kukuscha, »ich verstehe. Er braucht jetzt völlige Ruhe und positive Emotionen.«
    »Mit der Ruhe liegen Sie richtig«, sagte der Arzt, indem er sich eine billige Zigarette ansteckte, »aber mit den Emotionen ... Wissen Sie, im Augenblick kommt er am besten ohne alle Emotionen aus. Ohne die positiven und ohne die negativen. «
    Kukuscha war mit dem Arzt keineswegs einverstanden, denn sie glaubte uneingeschränkt an die Heilwirkung positiver Emotionen.
    Als sie und Tischka den Kranken endlich besuchen durften, konnte sie ihn kaum erkennen. Er lag in einem Gewirr von Schläuchen und Kabeln, sein Kopf war vom Kinn bis zum Scheitel verbunden, so daß er wie ein Gast aus einer anderen Welt aussah.
    Die Frau und der Sohn - beide in verwaschenen Krankenhauskitteln - saßen an Efims Bett, der gleichgültig an die Decke starrte.
    »Der Arzt hat gesagt, es sei nichts
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