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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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sollte.« Karetnikow zuckte mit den Schultern. »Der Daumen hat sich entzündet, ich habe bereits Antibiotika bekommen.«
    »Ich hätte mich in diesem Fall gegen Tollwut impfen lassen«, warf Bromberg launig ein, aber niemand reagierte, weil sein Witz, der gegen Rachlin gerichtet war, gleichzeitig Karetnikow traf und somit zweideutig war.
    »Also«, fuhr Karetnikow mit bescheidenem Lächeln fort, »heute kann ich nicht schreiben, morgen habe ich Parteikonferenz auf Rayon-Ebene, eine Begegnung mit einer Delegation afro-asiatischer Schriftsteller, anschließend Arbeitssitzung im Sekretariat, Sitzung im Lenin-Kreiskomitee und Tagung des Obersten Sowjet. Wie kann ich dort so erscheinen! ? Wie kann ich an den Sitzungen teilnehmen ?! Natürlich habe ich gezögert, diesen Antrag einzureichen, aber meine Frau bestand sogar darauf, daß ich den Generalstaatsanwalt direkt anrufe. Sie hat wahrscheinlich recht gehabt, aber mir liegt es, ehrlich gestanden nicht, interne Schwierigkeiten an die Öffentlichkeit zu zerren und unseren wunderbaren Verband, an dem ich mit ganzem Herzen hänge, vor aller Welt bloßzustellen. Ich hoffe, daß das Sekretariat Mittel und Wege finden wird, um einen Kollegen auch ohne Mitwirkung der rechtspflegenden Organe zu schützen.« Wassilij Stepanowitsch warf einen fragenden Blick auf den Scheitel des vor ihm sitzenden Mannes in Grau und setzte sich langsam auf seinen Platz.
    »Natürlich werden wir sie finden«, bestätigte Lukin mit Entschiedenheit und sah gleichfalls den Grauen an. »Aber bevor wir zu der Analyse übergehen, möchte ich Wassilij Stepanowitschs Antrag dahingehend ergänzen, daß dieser Skandal bereits von der feindlichen westlichen Propaganda ausgeschlachtet wird. Ich denke, daß einige der Anwesenden gestern gehört haben, wie ein westlicher antisowjetischer Sender...«
    »Ich persönlich höre diese Sendungen niemals!« beteuerte Natalja Knysch.
    »Kein einziger anständiger Mensch hört diesen Quatsch«, fügte Soljonyj finster hinzu.
    Lukin sah Efim an.
    »Genosse Rachlin, Sie haben ebenfalls nichts Derartiges gehört?«
    »Wie bitte ?« Efim hielt im Schreiben inne und sah Lukin an.
    »Ich fragte Sie«, wiederholte Lukin mit seiner knarrenden Stimme, »ob Sie ebenfalls nichts Derartiges gehört haben?«
    »Ist das Ihre Frage? Ja? Moment, ich notiere.« Er schrieb in sein Notizbuch: »Ich frage Sie, ob Sie ebenfalls nichts Derartiges gehört haben?« Dann hob er die Augen zu Lukin: »Was heißt nichts Derartiges ?«
    Lukin, ein wenig unsicher geworden, sah zu dem Mann in Grau hinüber, dann wieder zu Efim.
    »Sie werden gefragt«, begann er...
    »Moment - >Sie werden gefragt.. .<« notierte Efim sorgfältig und hob den Kopf.
    »... Sie werden gefragt, was Sie zu dem Antrag zu sagen haben... Aber machen Sie doch Ihr Notizbuch zu!« Lukin verlor die Geduld. »Wir haben Sie nicht hierher bestellt, um mit Ihnen Diktat zu schreiben.«
    »... um mit Ihnen Diktat zu schreiben«, wiederholte Efim vor sich hin.
    »Genossen, das ist doch grober Unfug!« rief Bromberg hysterisch. »Nehmt ihm das Notizbuch weg, oder er soll es einstecken !«
    »Aber wieso denn ? Wieso >weg mit dem Notizbuch< ?« ironisierte Tscherpakow. »Er braucht es, er muß mitschreiben. Für das Pentagon, für das FBI, und die Stimme Amerikas braucht auch einen ausführlichen Bericht.«
    Efim merkte, daß das Gespräch eine unheilvolle Wendung zu nehmen drohte. Seine Hand zitterte, aber er schrieb fieberhaft weiter. Obwohl es nicht so leicht war, denn die Anwesenden redeten nun gleichzeitig. Die Knysch warf ihm Mißachtung des Kollektivs vor, Schubin behauptete, er sei kürzlich in Polen gewesen und müsse in diesem Verhalten einen Zusammenhang mit der verbrecherischen Praxis der sogenannten Solidarnosc erkennen. Efim schrieb auch das auf, obwohl er von seiner Beziehung zu Solidarnosc nichts wußte. Am deutlichsten wurde Soljonyj.
    »Genossen!« sprach er, sich erhebend, »laut Tagesordnung haben wir ein Urteil über das Rowdytum Rachlins zu fällen. Aber wir können nicht von Rowdytum sprechen. Es ist weit mehr. Wir wollen uns die Fakten vergegenwärtigen. Wassilij Stepanowitsch Karetnikow ist einer unserer hervorragendsten Schriftsteller. Seine Bücher, stets leidenschaftlich und voll Feuer, erziehen Millionen sowjetischer Menschen im Geiste des Patriotismus und der Liebe zu ihrer Heimat. Durch seine Tat setzte Rachlin die Hand außer Gefecht, die diese Werke schafft. Weshalb hat er das getan? Etwa, weil er eine Mütze
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