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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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Du alter Bock!« Sie beugte sich über den Tisch und packte ihn am Revers. »Wenn du meinem Mann nicht persönlich die Mütze bringst, dann werde ich dich... Du ahnst gar nicht, was ich dann mit dir mache!«
    Der General wußte nicht, wie ihm geschah. Er packte sie an den Händen und versuchte, sich zu befreien.
    »Sinaida Iwanowna, was tun Sie? Wie können Sie es wagen ... Ich erlaube es nicht!«
    Kukuscha kam zu sich, ließ die Revers los und brach in Tränen aus. »Drecksau!« Sie stürzte aus dem Zimmer.
    Auf dem Wosstanije-Platz erwischte sie ein Taxi, ließ sich in den Fond fallen und heulte während der ganzen Fahrt. Sie wußte sich nicht zu helfen. Es wäre sinnlos gewesen, eine Mütze zu kaufen und so zu tun, als wäre sie vom Schriftstellerverband zugeteilt worden. Efim würde diesen Trick durchschauen.
    Das Taxi fuhr in den Hof und hielt hinter einem schwarzen Wolga. Kukuscha bezahlte und wollte ins Haus gehen. Eine Tür des Wolga öffnete sich. Ein großgewachsener Mann im dunklen Mantel und Sporthut stellte sich ihr in den Weg. »Sinaida Iwanowna, ich bin Oberst Kolesnitschenko.«
    Kukuscha fuhr zusammen. »Oberst des KGB ?«
    Der Mann lächelte. »Nein, ich bitte Sie. Ich bin Infanterist. Adjutant von Marschall Pobratimow. Er ist hier und erwartet Sie im Hotel Moskwa.«
    Es war nicht gerade die günstigste Zeit für ein Rendezvous, aber Kukuscha überlegte nicht lange. »Entschuldigen Sie mich, ich bin gleich wieder da. Können Sie auf mich warten ?«
    »Jawohl.«
    Sie stürzte hinauf, kehrte in ihrem Wäschefach das Unterste zuoberst und erschien nach einer Viertelstunde wieder im Hof, in Wolken von Duschgel und Parfüm eingehüllt.
    Der Marschall bewohnte ein Drei-Zimmer-Appartement der Luxusklasse, im Entree an der polierten Garderobenwand hingen zwei Uniformmäntel und zwei  Papachas . Die Besitzer dieser Papachas saßen in dem prunkvollen Wohnzimmer an einem ovalen Tisch, auf dem Hors d'oeuvres für etwa zwölf Personen angerichtet waren und tranken Courvoisier aus dünnen Teegläsern. Eine Flasche war bereits leer, die andere angebrochen. Das Zimmer war verraucht. Blaue Schwaden wogten im Schein des mehrstöckigen Kristallüsters.
    »Sinulja!«
    Einer der Zecher stand auf und ging Kukuscha entgegen. Es war ein stattlicher Mann mit glattrasiertem Schädel, der an Yul Brynner erinnerte.
    Pobratimow trug das grüne Uniformhemd mit den Schulterstücken eines Marschalls, aber ohne Krawatte. Die von Orden schwere Paradejacke hing auf der Stuhllehne vor dem Becker-Flügel. Ohne sich um Kolesnitschenko oder seinen Zechgenossen zu kümmern, nahm der Marschall Kukuscha in die Arme und küßte sie fest auf den Mund.
    »Hui - !« Sie fuhr unwillkürlich zurück.
    »Sie haben wohl eine ziemliche Fahne, Genosse Marschall«, bemerkte der Besitzer der zweiten Papacha, indem er auf Kukuscha zukam. Es war der ehemalige Adjutant Pobratimows, Iwan Fedossejewitsch, inzwischen Generalmajor. »Meine Verehrung, Sinotschka.« Er drückte Kukuschas Hand an seine Lippen und besabberte sie ausgiebig.
    »Wahrscheinlich hab' ich wirklich eine Fahne. Ich habe nicht daran gedacht«, entschuldigte sich der Marschall. Er war betrunken, aber bei klarem Verstand. »Wir schenken dir jetzt auch ein Conjäckchen ein und dann duften wir beide gleich.« Er schenkte Kukuscha, Iwan Fedossejewitsch und sich selbst ein halbes Glas ein und warf einen Blick auf Kolesnitschenko, der immer noch an der Tür stand.
    »Genosse Marschall, ich hätte noch einen Besuch bei meiner Schwester zu machen«, sagte dieser, »gestatten Sie, daß ich mich entferne?«
    »Entferne dich!« Der Marschall gestattete.
    Kolesnitschenko verschwand.
    »Also, Sinulja, auf unser Wiedersehen! Warum bist du so verregnet ? «
    »Gleich.« Kukuscha leerte das halbe Glas in einem Zug. »Ich habe Kummer, Marschall. Mein Alter liegt mit einem Schlag-a-a-a-a...«, und sie brach in Tränen aus.
    Ein weiteres halbes Glas wurde eingeschenkt, darauf nach den Details gefragt und mit der höchstmöglichen Aufmerksamkeit zugehört.
    »Er hat sich also im Kampf um eine Mütze so zugerichtet?« wunderte sich der Marschall.
    »So was kommt vor«, bemerkte Iwan Fedossejewitsch. »Wir hatten, erinnere ich mich, einen Oberstleutnant, der hat auf die Oberstenpapacha gewartet. Und als er leer ausging, schoß er sich eine Kugel vor die Stirn.«
    »Idiot!« sagte Pobratimow.
    »Klare Sache, Idiot«, bekräftigte Iwan Fedossejewitsch, »umso mehr, als es sich um einen Irrtum handelte. Man hatte
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