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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton
Autoren: Lauren Groff
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Ungeheuer sehr ähnlich, diesem gewaltigen Fischzug von jenem Morgen im Juli, nur in Miniaturgröße. Das Mädchen vergaß, Wasser zu treten, und sank tiefer und tiefer, und das Ungeheuer sank mit ihr. Sie schaute sich den großen, aufgeblähten Bauch an. Den Tänzerinnenhals. Die Füße mit den ausgeprägten Zehengliedern. Das kleine Ungeheuer öffnete das Maul mit seinen tintenschwarzen Zähnchen, und Big Toms Tochter schwört, dass es lächelte.
    Das Mädchen war auf einmal so entspannt, dass es fast Luft geholt hätte. Fast hätte sie Wasser in ihre Lungen gelassen und wäre ertrunken. Doch schließlich tat sie es doch nicht, sondern sie fing wieder an, Wasser zu treten, bis sie an die Oberfläche kam, vorbei an dem kleinen Ungeheuer, das sie bis nach oben begleitete. Sie holte einengroßen frischen Atemzug Luft. Das Ungeheuer schwamm mit ihr bis zur Anlegestelle und schaute zu ihr hoch, als sie aus dem Wasser stieg. Sie habe keine Sekunde lang Angst gehabt, sagt das Mädchen, denn das Ungeheuer wollte ihr nichts tun. Es wollte einfach nur eine Freundin haben. Bevor das Ungeheuer mit ein paar schnellen Schlägen seines Fischschweifes in die Tiefen zurücktauchte, streckte das Mädchen den Finger aus und berührte die flaumige Haut. Und ein Glücksgefühl schwappte über sie hinweg wie Honig. Das Ungeheuer grinste noch einmal sein tintenschwarzes Grinsen und war weg.
    So. Über all das denken wir nach, während wir laufen. Wir haben wieder ein Ungeheuer im See, ein Baby, die Nachkommenschaft des alten Ungeheuers. Wahrscheinlich sollten wir das den Behörden melden, aber wir bringen es nicht übers Herz, wir wollen nicht, dass sie alle zurückkommen, die Taucher, die Wissenschaftler, die Medien, und wir können unser Ungeheuer nicht noch einmal an die Welt verlieren. Es gehört uns, es gehört zu Templeton. Wir werden es für uns behalten.
    Am vierten Juli im nächsten Sommer werden wir auf den Flimmerspiegelsee hinausschwimmen, werden all unsere Motorboote auf den See hinausbringen. Betrunken werden wir ins Wasser hinabtauchen, wenn die Sonne zischend über den Hügeln im Westen verglüht, und die Fledermäuse werden über uns hinwegsausen, und die Bläsertruppe der Feuerwehr im Lakefront Park wird loslegen, und wir werden uns alle dort im Wasser versammeln, wenn von der Rampe in Fairy Springs die ersten Feuerwerkskörper in den Nachthimmel geschossen werden. Wir werden treten und treten, dort im Wasser, werden zusammen herumstrampeln, werden den Funkenregen beobachten, der sich um uns herum auf der Wasseroberfläche spiegelt, in Gold und Grün und Rot, und wir werden schwimmen und die Sterne beobachten, während das Feuerwerk niederprasselt, und wir werden uns gut fühlen, werden uns freuen wie die Schneekönige, denn wir wissen, dass da unter unseren Füßen ein weißes Ungeheuer schwimmt, ein schönesWesen, das mit dem Rücken unsere Füße streift, jung und übermütig. Und es wird Templeton ganz allein gehören. Es wird uns gehören, uns ganz allein.



 
     
Epilog
    Am Tag seines Todes denkt das Ungeheuer an:
     
    Fisch und Fisch und Fisch und Fisch und Fisch;
    die Dunkelheit, die sich bald lichtet, die Sonne, die bald ihre Augen öffnet;
    wie es bald die wackelnden Entenhintern von unten sehen wird;
    und jetzt steigt der Schmerz dunkel und schrecklich aus den tiefsten Tiefen des Ungeheuers auf;
    und wie es schon bald die Beine der Menschen sehen wird, die da oben an der hellen Oberfläche mit den Beinen stri-stra-strampeln, und wie es das liebt, wenn sie stri-stra-strampeln, und wie es immer hofft, die Leute würden das Strampeln vergessen und langsam zu sinken beginnen;
    und wie die Leute sinken und blubbernde Unterwasserschreie ausstoßen, die den Ohren des Ungeheuers wehtun, und wie sie dann aufhören zu schreien und um sich zu schlagen;
    und wie das Ungeheuer gleich einer Elritze auf den schlaffen und sinkenden Körper zuschießt und die Hand ausstreckt und den Sinkenden auffängt;
    und wie das Gesicht des Ertrinkenden ganz weich wird, wenn er in die Hand des Ungeheuers fällt, und wie er dann aufhört zu schreien und um sich zu treten und auf einmal ganz friedlich aussieht;
    und wie das Ungeheuer sie liebt, diese hübschen reglosen Menschen, wie es sie hält und ihnen übers Haar streicht, wie Moos, und wie esihre Weichheit an seine Brust drückt und die Wärme dieser winzigen Körper die Kälte seines großen Körpers berühren lässt;
    und jetzt der Schmerz, der sengende, schreckliche Schmerz;
    und
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