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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton
Autoren: Lauren Groff
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Schreiben überreicht, während ich beschlossen hatte, den Briefwechsel von Cinnamon und Charlotte für mich zu behalten.
Ach, du liebe Zeit!,
hatte die alte Dame gekräht.
Sie werden dafür sorgen, dass ich auf meine alten Tage noch berühmt werde, Wilhelmina.
Mich überraschte es nicht, dass es diese Neuigkeiten bis zu Zeke geschafft hatten. «Ich fahre in ein paar Stunden», sagte ich. «Ich muss noch diese gottverdammte Dissertation fertig schreiben.»
    «Und wirst du in der Bay Area bleiben?»
    Ich zuckte mit den Achseln. «Vielleicht», sagte ich. «Irgendwann komme ich aber hierher zurück, denke ich.»
    «Das ist komisch», sagte Zeke. «Ich geh nämlich auch da runter.»
    Mir stockte der Atem, und ich sah ihn an. «Wie bitte?», fragte ich.
    «Ich hab an Berkeley gedacht», sagte er. «Aber ich fürchte, das wird mir nicht anspruchsvoll genug sein. Ich hab gehört, Colleges wie Stanford lieben unkonventionelle Studenten. Besonders solche, die einen extrem guten Notendurchschnitt haben.»
    «Wahrscheinlich», erwiderte ich. «Großer Gott. Was wird aus deinen Jungs?»
    «Ach», sagte er. «Ich hab ja nicht gesagt, dass es nicht kompliziert wäre. Alles ist kompliziert. Je älter man wird, umso komplizierter wird das Leben. Das ist eins von diesen angenehmen Dingen, auf die wir uns vermutlich noch freuen können, denke ich.»
    «Vermutlich», sagte ich.
    «Könnte ich einen Abschiedskuss haben?», bat er mich.
    Ich beugte mich hinüber und gab ihm einen kleinen Schmatz auf die Wange, genau dort, wo sich manchmal sein Grübchen zeigte. Dann stand ich auf. «Scheibenkleister», sagte er. «Eigentlich hatte ich gehofft, du würdest mich ganz woandershin küssen.»
    «Mach’s gut, Zeke», sagte ich. «Benimm dich. Und besuch mich, wenn du nach Frisco kommst.» Zwischen uns war eine sonderbare elektrische Spannung, bis ich auf einmal eine Art Panik im Bauch verspürte, das wachsende Gefühl, wenn ich jetzt nicht die Flatter machte, dann würde ich es vielleicht überhaupt nicht schaffen, von hier wegzugehen. Ich lachte und brach den Bann.
    Und Zekes Gesicht fiel in sich zusammen. «Eins ist klar, Queenie», sagte er ein bisschen bitter und stützte sich wieder auf seine Arme. «Es war schön, dich kennenzulernen.» Er wandte den Blick ab und biss sich fest auf die Lippe. In diesem Moment sah er so jung und verletzlich aus, dass es mich große Kraft kostete, einen Schritt von ihm weg zu machen.
    Ich stieg die Treppe hinab und lächelte zu ihm hoch, wobei ich meine Augen mit den Händen vor der Sonne abschirmte. «Ach, ich denke, wir werden uns wieder kennenlernen, Zeke», sagte ich. «Ezekiel. Du sexy alter Felcher, du», lachte ich und hörte sein zögerliches Glucksen die ganze Fair Street entlang, wie es über die weite blaue Fläche des Sees hallte.
    Kurz vor meinem Abschiedsabendessen nahmen wir kleine Vorspeisen auf der Veranda ein, und Clarissa erzählte, wie üblich mit wilden Gesten untermalt, eine Geschichte von einem Undercoverauftrag, für den sie einmal als Stripperin in einem Club in North Beach gearbeitet hatte. Natürlich war ihre große Nummer eine Art Schulmädchentanz zu einer Nummer von AC/DC gewesen, und sie hatte eine Menge Geld auf der Bühne verdient, doch hatte es immer wieder Krach gegeben, wenn man von ihr verlangte, sie solle sich zu Gästen auf den Schoß setzen.
    «Und dann», erzählte sie, «kam eines Abends ein hohes Tier von der Polizei rein, der wollte, dass ich ihn Onkel Bill nenne und an seiner Krawatte ziehe, bis er nicht mehr schnaufen kann, und das war dann das Ende. Ich hab ein kleines Tänzchen aufgeführt und griff gerade nach seiner Krawatte, als ich mit dem Fuß rein zufällig auf sein bestes Stück trat, und …»
    Ich war gerade hineingegangen, um noch eine Flasche Wein zu holen. Diese Geschichte hatte ich schon oft gehört, und so lachte ich bereits leise über die Pointe, als ich in dem Stapel Post, den meine Mutter zuvor hereingebracht hatte, die unmissverständlich grellbunte Ecke einer Postkarte entdeckte. Mein Herz schlug im Takt eines Trommelwirbels in meiner Brust. Und der Magen sank mir beleidigt in die Kniekehlen. Ich zog die Karte so weit heraus, dass ich sie ganz betrachten konnte.
    Vorne abgebildet war ein überbelichtetes städtisches Gebäude, das überall im Land hätte stehen können: Redwood City, California; Oshkosh, Wisconsin; Delhi, New York. Ein wuchtiger Kasten aus den Sechzigern, dröge und grau.
    Ich drehte die Postkarte um und fand neben
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