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Marlene Suson 2

Marlene Suson 2

Titel: Marlene Suson 2
Autoren: Der Mitternachts-Lord
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Vielleicht war er das ja auch.
    Er konnte nicht mehr klar denken, doch er leistete einen hei- ligen Eid: Er würde nicht nur seinen Verfolgern entkommen, sondern auch einen Weg finden, nach England zurückzukehren. Er würde herausfinden, wer ihm dies alles angetan hatte, und Rache nehmen. Der Schuft sollte bezahlen.
    Wer immer es war.
    Dieser Gedanke setzte neue Kräfte in ihm frei, die jedoch nicht lange vorhielten. Sein ausgemergelter Körper machte einfach nicht mehr mit. Er stolperte und wäre fast gestürzt. Im letzten Moment gelang es ihm, sich an dem dünnen Stamm eines jungen Baumes festzuhalten.
    Es war ein so verlockender Gedanke, sich einfach fallen zu lassen. Er war zu schwach und zu krank, um die Flucht fort- zusetzen. Warum sollte er seinem gemarterten Körper nicht die Ruhe gönnen, nach der er so sehr verlangte? Er würde sich ein- fach niederlegen und sterben, um endlich von all diesen Qualen erlöst zu werden.
    Plötzlich hörte er wie durch einen dichten Nebel Geräusche, die wie Gewehrschüsse klangen. Oder war es Hundegebell? Die Geräusche kamen von hinten.
    Und sie waren erschreckend nahe.
    Er hatte geglaubt, die Meute dieser bösartigen, blutrünstigen Spürhunde vor zwei Tagen abgehängt zu haben, doch er hatte sich offenbar getäuscht. Sie waren noch immer auf seiner Fährte.
    Bei diesem Gedanken bäumte sein erschöpfter Körper sich ein letztes Mal auf. Diese wilden Bestien sollten ihm nicht das Fleisch von den Knochen reißen.
    Irgend etwas stimmte nicht. Das war Meg Drakes erster Gedanke, als sie im Dunkeln erwachte. Ein banges Gefühl beschlich sie und verscheuchte sofort jede Müdigkeit.
    Sie war normalerweise kein Angsthase und ließ sich nicht leicht ins Bockshorn jagen. Wäre sie es gewesen, dann würde sie ge- wiß nicht mit ihrem fünfzehnjährigen Bruder hier mitten in der Wildnis in einem Blockhaus leben, wo sie ganz allein auf sich gestellt war.
    Mit angehaltenem Atem lauschte Meg in die Nacht hinaus und versuchte herauszufinden, welches ungewohnte Geräusch sie ge- weckt haben mochte. Einen Augenblick später wußte sie es. Das

Wiehern des Pferdes, der Schrei der Schleiereule und das Heu- len der Wölfe klangen anders als sonst, irgendwie aufgeregt und warnend.
    Dort draußen war jemand oder etwas Fremdes.
    „Meg?“ Die Stimme ihres Bruders war kaum mehr als ein leiser, angstvoller Hauch. „Ich . . . ich fürchte, wir kriegen Besuch.“
    „Ja“, gab seine Schwester leise zurück. Meg war sicher, noch nicht lange geschlafen zu haben. Es mußte ungefähr Mitternacht sein. Wer immer sich um diese Zeit vor ihrem Haus zu schaffen machte, hatte gewiß nichts Gutes im Sinn.
    Meg kämpfte die aufsteigende Angst nieder und schlüpfte aus dem Bett. Ihr weites weißes Nachthemd bauschte sich um ihren Körper. Sie griff nach einem der Gewehre, die immer geladen und schußbereit an der Wand lehnten.
    Leise schlich sie zur Tür und lüpfte eine Ecke des Ölpapiers, das das kleine Guckfenster bedeckte.
    Schimmernder Mondschein erhellte die Lichtung vor dem Blockhaus. Da Meg nichts Ungewöhnliches entdecken konnte, suchte sie mit den Blicken den Saum des Waldes ab. Auch dort rührte sich nichts.
    Das schaurige Heulen der Wölfe klang jetzt sehr nah. So nahe waren sie dem Blockhaus noch nie gekommen. Meg spürte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten.
    Plötzlich bewegte sich etwas neben einer hohen Eiche. Meg packte das Gewehr fester und ging zur Tür.
    Er konnte nicht mehr weiter. Sein gepeinigter, geschundener Kör- per gehorchte ihm nicht mehr. Wenn er sich doch nur hinlegen und einfach sterben könnte!
    Aber seine Verfolger würden ihn finden, und sie würden dafür sorgen, daß er am Leben blieb.
    Natürlich nicht aus Freundlichkeit. Niemand war freundlich zu ihm gewesen in all den endlosen Monaten, seit man ihn entführt und aus seinem komfortablen Leben gerissen hatte. Seit- dem war er durchs Fegefeuer gegangen. Nein, sie würden ihn am Leben erhalten, weil er lebendig mehr wert war als tot.
    In diesem Augenblick taumelte er aus dem Wald auf eine Lichtung hinaus. In ihrer Mitte stand ein Blockhaus, das der Himmel geschickt haben mußte. War es eine Fata Morgana, die sein Fieberwahn ihm vorgaukelte?

Wie auch immer, er schwankte darauf zu, schaffte es jedoch nicht ganz. Die Beine gaben unter ihm nach, und er sank ein paar Schritte vor der Haustür in die Knie.
    Die Tür ging auf, und eine ätherische Gestalt in einem weißen Gewand erschien im Türrahmen. Ein Engel! Demnach war er
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