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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht
Autoren: Kai Meyer
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Kälte nahm zu, nicht nur in ihrem Inneren.
    »Nicht mehr weit!« Vermithrax beschleunigte den Schlag seiner Schwingen, seine Manöver um die scharfen Biegungen wurden immer rasanter.
    »Sie holen auf,« flüsterte Junipa in Merles Ohr.
    Merle schaute nach hinten, konnte aber im Schein von Vermithrax’ Körper nichts erkennen. Der Treppenschacht in ihrem Rücken war leer. Die Laute jedoch, die von unten heraufstiegen, verrieten deutlich, dass ihre Verfolger nicht aufgegeben hatten.
    »Sie holen auf.« Noch einmal. Noch leiser.
    Merle schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
    »Doch. Bald.«
    »Du kannst es fühlen«, hatte Junipa gesagt.
    Merle machte sich Sorgen, und mit einem Mal nicht nur wegen Burbridge und seiner Lilim.
    Ein eisiger Windstoß raste ihnen entgegen, ließ ihre Haare flattern und drang mit tausend Nadelstichen durch ihre Kleider. Hinter ihnen, in der Tiefe, ertönte ein zorniger Schrei.
    »Was war das?«
    »Nur Wind«, sagte die Königin.
    »Ich meine den Schrei.«
    »Lord Licht.«
    »Aber warum?«
    »Vielleicht vertragen seine Lilim die Kälte nicht.«
    »Im Ernst?«
    »Ich glaube nicht, dass es in der Hölle jemals kalt wird. Sie sind daran nicht gewöhnt.«
    Der eiskalte Wind wehte jetzt beständiger von oben herab.
    »Wie weit noch, Vermithrax?«
    »Es wird heller. Irgendwo über uns ist ein Ausgang.«
    Heller? Sie sah nur das Licht, das von dem Löwen ausstrahlte. Es war, als ritten sie auf einer Sternschnuppe durch den finsteren Schacht. Sein Schein huschte über die groben Wände, erzeugte wandernde Schatten und erweckte die Furchen und Kratzer zum Leben; wie die Wesen, die sie hinterlassen hatten, schienen die Spuren mit spindeldürren Beinen über die Mauern zu krabbeln.
    Als Merle genauer hinsah, erkannte sie, dass das Licht reflektiert wurde, als wären die Wände mit Glas überzogen - oder mit Eis.
    Tatsächlich - da waren Eisblumen auf dem Gestein.
    Die Kälte erschien ihr schlagartig noch um einiges klirrender.
    In Gedanken wandte sie sich an die Königin: Ich nehme an, du weißt auch nicht, wohin dieser Ausgang führt?
    »Nein.«
    Nicht ins Ewige Eis, hoffe ich.
    »Ich glaube nicht, dass wir so weit geflogen sind. Nicht in so kurzer Zeit.«
    Täuschte sie sich, oder wurde das Flattern der Flügel in der Tiefe leiser? Noch einmal hörte sie Burbridges zorniges Brüllen, doch der Schacht hinter ihnen blieb leer.
    Junipas Hände verkrampften sich.
    »Wir haben’s gleich geschafft«, sagte Merle, um sie aufzumuntern.
    Sie spürte, wie Junipa nickte; ihr Kinn stieß dabei gegen Merles Schulter.
    Die Stufen unter ihnen waren jetzt ebenfalls mit einem Hauch von Eis überzogen. Vermithrax’ Glut ließ die Oberflächen in bunten Farben schillern.
    Junipas Hände krampften sich noch stärker um Merles Taille, pressten schmerzhaft in ihre Seiten. Sie zitterte erbärmlich.
    »Nicht so fest«, rief Merle nach hinten. »Das tut weh.«
    Junipa konnte sie wohl nicht hören, denn der Druck blieb derselbe, verstärkte sich sogar.
    »Da vorne!« Vermithrax glühte einen Augenblick lang noch greller, als die Stufen unter ihnen zurückblieben und sie hinaus in eine weite Halle rasten. Der Grundriss war dreieckig wie jener des Turms. Die schrägen Wände trafen sich hoch über ihnen an einem Punkt im Halbdunkel, außerhalb von Vermithrax’ Lichtschein.
    Sie hatten die Spitze des Turms erreicht.
    Steinschutt bildete Berge und Täler auf dem Boden der Halle. Irgendwann einmal hatte hier eine Rampe gestanden, aber jetzt waren nur noch Reste davon zu erkennen. Sie hatte zu einer Öffnung nach außen geführt, die von weitem seltsam unregelmäßig aussah, bis Merle erkannte, dass sie einst sehr viel breiter gewesen und heute bis auf ein kantiges Loch verschüttet war. Die Kälte im Inneren der Halle war beachtlich, auch hier glitzerte Eis auf Geröll und Wänden.
    Vor der Öffnung gab es eine Balustrade unter einem grauen Wolkenhimmel, halb zerstört und ohne Geländer. Aber sie war breit genug, dass Vermithrax darauf würde landen können. Von dort aus würden sie hoffentlich sehen können, was sie draußen erwartete.
    Das Schlagen der Lilimflügel war verklungen. Vielleicht behielt die Königin Recht: Die Kälte hatte sie zum Aufgeben gezwungen. Möglich war auch, dass sich die Geräusche nur in der Weite der Halle verloren.
    Merle versuchte, sich aus Junipas schmerzhaftem Griff zu winden, aber die Hände des Mädchens krallten sich verzweifelt in ihre Seiten. »Nicht so fest«, rief Merle noch
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