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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht
Autoren: Kai Meyer
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und brach sich hundertfach an den Stufen und Kanten; es klang, als hätte Burbridges Trupp unverhofft Verstärkung bekommen.
    »Sie kriegen uns.« Junipas Worte waren an niemanden gerichtet außer an sich selbst, aber Merle hörte sie trotzdem.
    »Nein«, entgegnete sie, »das glaube ich nicht.« Und tatsächlich flößten ihr die Lilim mit einem Mal keine Furcht mehr ein. Solange sie Burbridges Lächeln nicht sehen musste, verborgen hinter den Ecken des Schachtes, waren die Lilim in ihren Gedanken nur ein Haufen schwerfälliger Ungeheuer, die weder Vermithrax’ Kraft noch seinem Geschick gewachsen waren. In Wahrheit war es allein Burbridge, den sie fürchtete. Burbridge und das Licht in ihm.
    Dasselbe Licht, das nun auch Vermithrax zum Glühen brachte, das ihn durchdrang, erfüllte, ihn größer, kräftiger und gefährlicher machte.
    Monströser?
    Vielleicht.
    Seth - oder der Falke, in den er sich verwandelt hatte - war nicht mehr zu sehen, aber es gab jetzt keinen Zweifel mehr, dass er den schnellsten Weg nach oben suchte, zu einem Ausgang, den vor Jahrtausenden jene Wesen benutzt hatten, die die Königin als Herren der Tiefe bezeichnet hatte. Die Feinde der Sub ozeanischen Kulturen. Die Urahnen der Lilim, deren Reich untergegangen war, als das Steinerne Licht ihre Stadt zerschmetterte.
    Je weiter sie sich vom Boden der Hölle entfernten, desto kühler wurde es. Vielleicht lag es an den Schatten im Inneren des Turms, vielleicht auch an dem Schweiß auf ihrer Haut und dem heftigen Gegenwind, der durch ihre Kleidung und Haare fuhr. Ein Blick auf Junipas schmale Hände an ihrer Taille verriet Merle, dass auch sie eine Gänsehaut hatte. Vermithrax leuchtete zwar wie ein gewaltiger Lampion, gab aber keinerlei Wärme ab, genau wie das Licht im Inneren der Kuppel. Er hatte im Steinernen Licht gebadet, und noch wusste niemand, welche Konsequenzen das für ihn und sie alle haben würde.
    »Denk nicht daran«, sagte die Königin, »jetzt nicht.«
    Ich geb mir Mühe.
    Noch eine Ecke, noch eine Treppenkehre. Stufen in den absonderlichsten Formen, die sich in bestimmten Abständen wiederholten, so als wären die hohen für größere Kreaturen gemacht, die niedrigeren dazwischen für kleinere. Vor Merles Augen entstand das Bild einer wimmelnden Masse von Wesen, die sich über die Stufen schoben und zwängten, während Kreaturen mit vielfach geknickten Stelzenbeinen über sie hinwegstaksten, und andere, noch fremdartigere Lebewesen mühelos an den Wänden und Decken liefen.
    Sie schüttelte sich, und diesmal war nicht die Kälte der Grund.
    »Was wird er mit uns tun, wenn er uns fängt?«, fragte sie die Königin, ehe ihr bewusst wurde, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte.
    »Dasselbe wie mit mir«, sagte Junipa.
    Merle spürte die Verwunderung der Königin, doch die Stimme in ihrem Inneren sagte nichts. Wartete ab.
    »Was meinst du?«, fragte sie, diesmal direkt an Junipa gewandt.
    »Ich hab gesagt, er wird mit dir dasselbe anstellen wie mit mir.«
    Kam das Dröhnen und Surren der Flügel hinter ihnen näher? Oder war es nur ein Streich der Akustik, der es lauter, bedrohlicher klingen ließ?
    »Das hab ich verstanden«, sagte Merle. »Aber was genau… ich meine, wenn du nicht darüber sprechen willst, könnte ich das -«
    »Nein.« Die Königin klang ungewohnt bestimmt. »Sie soll es sagen.«
    Aber es war nicht nötig, dass Merle die Frage wiederholte.
    »Du kannst es fühlen, wenn du willst«, sagte Junipa leise. Ihre Hand löste sich von Merles Mitte und legte sich auf ihren rechten Unterarm, als wollte sie ihn aus dem Fell des Löwen lösen.
    »Fühlen?«, fragte Merle.
    Vermithrax flog einen Haken. Die Mädchen auf seinem Rücken wurden nach links gerissen, und beinahe hätte Merle den Halt verloren. Sie grub die Hände in die Mähne und presste die Beine fest an die Flanken des Löwen. Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus.
    »Später«, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Junipa sagte nichts mehr, und auch die Königin blieb stumm.
    »Wir müssten bald oben sein!« Vermithrax’ Worte hallten von den Wänden wider, dröhnten durch den Schacht wie Donnergrollen. Sein Lichtschein zog als Heerschar flirrender Geister über die Mauern.
    Den Falken hatten sie bereits vor geraumer Zeit aus den Augen verloren. Wenn es dort oben einen Ausgang gab, den Seth zuerst erreichte und vielleicht vor ihrer Nase zustieß…
    »Denk nicht an so was«, sagte die Königin.
    Merle fröstelte immer stärker. Die
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