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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen
Autoren: Agatha Christie
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ein paar Erinnerungen dieses Stylptitch den ganzen Karren umschmeißen könnten. Einige Worte über die noch allseits unvergessene Tyrannei und Misswirtschaft zum Beispiel, nicht wahr? Das gäbe peinliche Fragen an die Regierung: Ist es unsere Absicht, die gegenwärtige weitsichtig-liberale Demokratie durch neue Tyrannei zu ersetzen? Politik diktiert durch blutsaugerischen Kapitalismus. Nieder mit der Regierung! So oder ähnlich würde es klingen, nicht wahr?»
    Lomax nickte.
    «Und es könnte noch viel schlimmer kommen», stöhnte er. «Nehmen wir an, es würde eine Anspielung gemacht auf das unselige Verschwinden… Sie wissen doch, was ich meine?»
    «Ich habe keine Ahnung. Welches Verschwinden?»
    «Aber Sie haben doch sicherlich davon gehört? Es geschah ja, als alle in Chimneys waren. Henry war entsetzlich aufgeregt deshalb. Es hätte beinahe seine ganze Karriere ruiniert.»
    «Wie interessant!», sagte Lord Caterham. «Wer oder was verschwand denn?»
    Lomax beugte sich vor und brachte seinen Mund ganz nah an Lord Caterhams Ohr. Dieser wandte sich hastig ab.
    «Mein Gott, zischen Sie doch nicht so!»
    «Haben Sie verstanden?»
    «Ja, gewiss», sagte Lord Caterham zögernd. «Ich erinnere mich auch, seinerzeit davon gehört zu haben. Merkwürdige Sache. Man hat ihn nie gefunden?»
    «Nie. Natürlich musste die Angelegenheit mit äußerster Diskretion behandelt werden. Die Öffentlichkeit durfte nichts erfahren. Aber Stylptitch war damals in Chimneys und hat bestimmt etwas davon mitbekommen. Wenn er nun aus purer Bosheit die ganze Geschichte für die Nachwelt festgehalten hätte? Stellen Sie sich den Skandal vor und all die Folgen! Jeder würde sich fragen: Warum wurde die Sache damals vertuscht?»
    «Natürlich würde sich das jeder fragen», stellte Lord Caterham mit sichtlichem Vergnügen fest.
    «Ich bitte Sie, mein Bester: Wenn Stylptitch kein Unheil stiften wollte – weshalb sandte er dann seine Memoiren auf solchen Umwegen nach London?»
    «Das ist tatsächlich merkwürdig. Sind Sie Ihrer Sache sicher?»
    «Absolut sicher! Wir hatten unsere – hm – Agenten in Paris. Die Memoiren wurden ein paar Wochen vor seinem Tod ganz im Geheimen fortgeschafft.»
    «Es sieht wirklich so aus, als ob etwas dahintersteckte», freute sich Lord Caterham wiederum.
    «Wir haben herausgebracht, dass sie einem Mann namens Jimmy oder James McGrath zugestellt wurden, einem Kanadier, der sich gegenwärtig in Afrika herumtreibt.»
    «Könnte einen Riesenskandal geben», meinte der Lord vergnügt.
    «James McGrath trifft mit der ‹Granarth Castle› morgen hier ein, also am Donnerstag.»
    «Was gedenken Sie zu unternehmen?»
    «Wir setzen uns selbstverständlich sofort mit ihm in Verbindung, halten ihm die Konsequenzen vor Augen und werden ihn ersuchen, die Publikation um mindestens einen Monat zurückzustellen. Und auf jeden Fall muss er einwilligen, dass die Memoiren gewissenhaft – hm – überarbeitet werden.»
    «Und falls er sagt: ‹Ich denke nicht daran, meine Herren› oder ‹Fahren Sie zur Hölle› oder dergleichen?», gab der Lord zu bedenken.
    «Genau das befürchte ich eben», erklärte Lomax. «Und deshalb wäre es gut, wenn Sie ihn ebenfalls nach Chimneys einladen würden. Er würde sich natürlich geschmeichelt fühlen, Fürst Michael vorgestellt zu werden, und wahrscheinlich ließe er dann eher mit sich reden.»
    «Aber ich rede nicht mit ihm», erklärte Lord Caterham hastig. «Ich verstehe es nicht, mit Kanadiern umzugehen – besonders nicht mit solchen, die in Afrika leben.»
    «Wahrscheinlich würden Sie herausfinden, dass er ein prächtiger Kerl ist – ein ungeschliffener Diamant sozusagen.»
    «Nein, Lomax, da weigere ich mich strikt. Diese Unterredung muss ein anderer durchführen.»
    «Ich glaube», meinte Lomax, «dass eine Frau hier am richtigen Platz wäre. Eine Frau könnte diese Sache mit Takt und Feingefühl anpacken und ohne Verdacht zu erregen. In der Politik schätze ich Frauen gar nicht, aber in so speziellen Fällen… Es müsste aber eine junge Frau sein, mit dem gewissen Etwas, schön und intelligent –»
    «Aber doch nicht Bundle? Bundle wäre dafür völlig ungeeignet. Sie würde sich totlachen über den Vorschlag.»
    «Ich habe keineswegs an Lady Eileen gedacht. Ihre Tochter ist reizend, mein lieber Caterham, ganz reizend, aber doch noch ein Kind. Wir brauchen jemanden mit Klugheit und Erfahrung – ah, ich weiß: meine Kusine Virginia.»
    «Mrs Revel?» Lord Caterham erholte sich
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