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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen
Autoren: Agatha Christie
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Worte fanden keinen Glauben.
     
    Es war schon zehn Uhr nachts, als Anthony Cade den kleinen Raum betrat, in dem Jimmy McGrath mit mehreren Flaschen hantierte.
    «Mix mir etwas Starkes, Jimmy», flehte er, «glaub mir, ich kann es brauchen.»
    «Zweifle nicht daran, alter Junge. Diese Arbeit wäre nichts für mich, nicht um alles Geld der Welt.»
    «Zeig mir eine andere, und schon bin ich auf und davon.»
    «Meinst du das im Ernst?»
    «Was?»
    «Gibst du diese Arbeit auf, wenn sich etwas anderes ergibt?»
    «Warum? Du willst mir doch nicht weismachen, du hättest einen Job für mich? Warum nimmst du ihn dann nicht selber an?»
    «Ich habe ihn angenommen, aber er sagt mir nicht recht zu, und darum möchte ich ihn an dich abschieben.»
    Anthony wurde misstrauisch. «Was ist nicht in Ordnung damit?»
    «Die Sache ist goldrichtig, nichts dagegen einzuwenden.»
    «Nicht zufällig in Südamerika? Ich hab viel übrig für diesen Kontinent. Dort kann man jederzeit mit einer netten, sauberen Revolution in einem dieser Kleinstaaten rechnen.»
    «Nein, nicht Südamerika, sondern England.»
    «England? Der Held kehrt nach langen Irrfahrten in seine Heimat zurück! Auch nicht übel. Nur will es mir immer noch nicht einleuchten, warum du die Sache nicht selber übernimmst.»
    «Das kann ich dir sagen. Ich bin hinter Gold her – tief im Innern.»
    «Also daher weht der Wind. Du warst immer hinter Gold her, Jimmy, seit ich dich kenne. Deine alte Schwäche.»
    «Und zum Schluss gewinne ich doch, du wirst es erleben.»
    «Jeder hat seine eigene Verrücktheit. Meine heißt Krawalle, deine heißt Gold.»
    «Lass mich die ganze Geschichte erzählen. Ich nehme an, du weißt alles über Herzoslowakien?»
    Anthony blickte scharf auf.
    «Herzoslowakien?», wiederholte er mit einem merkwürdigen Klang in der Stimme.
    «Ja. Was weißt du über das Land?»
    «Nur was jedermann weiß. Ein Balkanstaat, nicht wahr? Hauptflüsse unbekannt, wichtige Berge unbekannt – es gibt aber ziemlich viele. Hauptstadt Ekarest. Bevölkerung in der Mehrzahl Briganten. Ihr Steckenpferd: Könige ermorden und Revolutionen anzetteln. Der letzte König, Nikolaus IV, vor ungefähr sieben Jahren umgebracht. Seither Republik. Alles in allem eine sehr friedliche Gegend. Du hättest mir von Anfang an sagen sollen, dass Herzoslowakien im Spiel ist.»
    «Ist nur indirekt im Spiel. Jemals vom Grafen Stylptitch gehört?»
    «Oho, da kommen wir der Sache schon näher», meinte Anthony. «Es gibt viele Menschen, die noch nie etwas von Herzoslowakien gehört haben, aber keinen, der den Namen des Grafen Stylptitch nicht kennt. Der starke Mann des Balkans. Der größte Staatsmann unserer Zeit. Der schlimmste Verbrecher, der leider nicht aufgeknüpft wurde. Die Meinung über ihn hängt ganz davon ab, durch welche Zeitung sie gebildet wurde. Aber eines ist sicher: An den Grafen Stylptitch wird man sich erinnern, wenn du und ich längst zu Staub und Asche geworden sind, Jimmy. Er war Diktator und Patriot und Staatsmann, und kein Mensch weiß, was er eigentlich war… außer einem perfekten Intriganten. Was ist los mit ihm? Ich dachte, er sei tot?»
    «Ist er auch. Starb in Paris vor zwei Monaten. Was ich dir jetzt erzähle, geschah vor ein paar Jahren. Ich lebte damals eine Zeit lang in Paris. Eines Nachts bummelte ich durch eine ziemlich einsame Gegend, als ich sah, wie ein halbes Dutzend französischer Raufbolde einen gut aussehenden alten Herrn verprügelte. Ich hasse solche einseitigen Demonstrationen der Stärke, darum mischte ich mich ein und verdrosch die Burschen auf meine Art. Hatten wohl nie zuvor anständige Keile gekriegt. Jedenfalls zerflossen sie wie Schnee an der Sonne.»
    «Guter Junge», sagte Anthony. «Ich hätte das Bravourstückchen gern gesehen.»
    «Ach, da war wirklich nichts weiter dabei», meinte Jimmy bescheiden. «Doch der alte Herr konnte sich kaum fassen vor Dankbarkeit. Er hatte sichtlich einen sitzen, war aber immerhin noch nüchtern genug, um meinen Namen und meine Adresse herauszubringen, und am nächsten Tag kam er an und dankte mir nochmals. Alte Schule, weißt du. Und dabei stellte sich heraus, dass er Graf Stylptitch war. Hatte ein Haus in der Nähe des Bois.»
    Anthony nickte.
    «Ja, nach der Ermordung von König Nikolaus lebte Stylptitch in Paris. Sie wollten ihn später zurückholen und zum Präsidenten machen, aber er lehnte ab. Er stand treu zu seinen monarchistischen Ansichten, obwohl man sich erzählte, er stecke hinter jedem Aufruhr
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