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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen
Autoren: Agatha Christie
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erhob sich und ging im Zimmer auf und ab. Seine Brauen waren zusammengezogen, und es dauerte einige Minuten, ehe er sprach.
    «Jimmy», sagte er schließlich. «Stylptitch starb in Paris. Warum schickt man seine Memoiren von Paris nach London via Afrika?»
    Jimmy schüttelte hilflos den Kopf. «Das verstehe ich auch nicht.»
    «Warum macht man nicht einfach ein hübsches Päckchen daraus und schickt es mit der Post direkt nach London?»
    «Klingt verdammt viel vernünftiger, das gebe ich zu.»
    «Wenn dir Stylptitch tausend Pfund schenken wollte, hätte er das in seinem Testament vermerken können. Weder du noch ich sind zu stolz, um ein Legat anzunehmen. Warum also dieser Umweg? Stylptitch muss einfach verdreht gewesen sein.»
    «Sieht ganz so aus», meinte Jimmy.
    Anthony runzelte die Stirn und nahm seinen ruhelosen Gang wieder auf.
    «Hast du das Ding gelesen?», fragte er plötzlich.
    «Welches Ding?»
    «Das Manuskript natürlich.»
    «Guter Gott, nein! Wozu denn?»
    Anthony lächelte.
    «Du weißt doch bestimmt, dass solche Dinger schon viel Unheil angerichtet haben. Politische Indiskretionen nennt man das wohl. Ist es möglich, dass Graf Stylptitch ein rachsüchtiger alter Teufel war?»
    Jimmy schüttelte unsicher den Kopf.
    «Schwer zu sagen. Siehst du, in der ersten Nacht hatte er gehörig geladen, und am nächsten Tag präsentierte er sich nur als vornehmer alter Herr mit guten Manieren, der mich mit Komplimenten überschüttete, bis ich nicht mehr wusste, wohin schauen.»
    «Und als er betrunken war, sagte er da nichts Besonderes?»
    Jimmy versuchte, seine Gedanken auf diese Begegnung zu konzentrieren, und runzelte dabei heftig die Brauen.
    «Er schwatzte etwas vom Koh-i-noor. Sagte, er wisse, wo sich dieser befinde», bemerkte er schließlich.
    «Du liebe Zeit», lachte Anthony, «das wissen wir alle. Der ist im Tower, hinter dickem Glas und Eisenstäben, und eine Menge Burschen in aparter Maskerade lungern herum und bewachen ihn.»
    «Stimmt», gab Jimmy zu.
    «Sagte Stylptitch noch mehr solchen Unsinn?»
    Jimmy schüttelte den Kopf.
    «Hm», meinte Anthony vage.
    Er zündete sich eine neue Zigarette an und ging wieder auf und ab.
    «Du liest wohl überhaupt keine Zeitungen, du alter Heide?», brach er plötzlich los.
    «Nicht oft», bekannte Jimmy. «Da steht doch nichts drin, das mich interessieren könnte.»
    «Ein Glück, dass ich etwas zivilisierter bin! In letzter Zeit gingen verschiedene Gerüchte um über Herzoslowakien. Man munkelte etwas über eine Wiederherstellung der Monarchie.»
    «Nikolaus IV. hinterließ keinen Sohn», ließ Jimmy sich vernehmen. «Aber sicher gibt es jede Menge Vettern ersten und zweiten Grades, die damals erst mal verschwanden.»
    «Sodass es nicht allzu schwierig wäre, einen passenden König aufzutreiben?»
    «Nicht im geringsten, würde ich sagen», antwortete Jimmy. «Weil wir gerade von Königen sprechen: Das erinnert mich an etwas anderes, das Stylptitch in jener Nacht sagte. Er behauptete, die Bande zu kennen, die hinter ihm her war. Es seien König Victors Leute.»
    «Was?», Anthony fuhr plötzlich herum.
    Ein breites Grinsen überzog Jimmys Gesicht.
    «Nervös, Gentleman Joe?», meinte er gedehnt.
    «Sei kein Idiot, Jimmy. Du hast eben etwas sehr Wichtiges gesagt.»
    Er ging zum Fenster und starrte hinaus.
    «Wer ist denn dieser König Victor?», erkundigte sich Jimmy. «Ein weiterer Balkanherrscher?»
    «Nein», antwortete Anthony langsam. «O nein, er ist eine ganz andere Art von König.»
    Es gab eine längere Pause, dann sprach Anthony wieder.
    «Er ist ein Verbrecher, Jimmy. Der bekannteste Juwelendieb der Welt. Ein toller, verwegener Kerl, der vor nichts zurückschreckt. König Victor ist der Spitzname, den man ihm in Paris gab. Paris war das Hauptquartier seiner Bande. Dort wurde er auch gefasst und für ein kleineres Delikt auf sieben Jahre hinter Gitter gebracht. Seine großen Coups konnte man ihm nicht nachweisen. Er dürfte bald wieder frei sein – oder ist es bereits.»
    «Meinst du, dass Stylptitch etwas mit seiner Verhaftung zu tun hatte? War deshalb die Bande hinter ihm her? Aus Rache?»
    «Ich weiß nicht recht», meinte Anthony nachdenklich. «Auf den ersten Blick erscheint es unwahrscheinlich. Soviel ich weiß, stahl König Victor niemals die Kronjuwelen von Herzoslowakien. Aber die ganze Sache kommt mir doch recht bedeutsam vor. Der Tod von Stylptitch, die Memoiren, die Gerüchte in den Zeitungen – alles ziemlich vage erfunden, aber sehr
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