Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
ein, dass er nun nach allgemeiner Ansicht in die Fußstapfen seines Bruders treten sollte und dass Chimneys weit mehr als nationale Einrichtung betrachtet wurde denn als sein privates Eigentum. Es gab nichts auf der Welt, was Lord Caterham mehr langweilte als Politik – höchstens Politiker. Daher seine Ungeduld dem unaufhörlich plätschernden Redefluss George Lomax’ gegenüber.
    George Lomax war ein robuster Mann mit Neigung zum Embonpoint, mit rotem Gesicht, durchdringendem Blick und einer sehr hohen Meinung über seine eigene Bedeutung.
    «Sie verstehen die Lage, Caterham? Wir dürfen gegenwärtig auf keinen Fall in irgendeinen Skandal verwickelt werden. Die Situation ist äußerst delikat.»
    «Das ist sie eigentlich immer», meinte Lord Caterham leicht ironisch.
    «Mein Lieber, in meiner Position weiß man eben vieles.»
    «Gewiss, gewiss», murmelte Lord Caterham gleichgültig.
    «Die leiseste Andeutung über dieses herzoslowakische Geschäft könnte uns ruinieren. Es ist von größter Wichtigkeit, dass die Ölkonzession einem britischen Konsortium verliehen wird. Das sehen Sie doch ein?»
    «Sicherlich, sicherlich.»
    «Fürst Michael trifft Ende der Woche ein, und wir könnten die ganze Angelegenheit im Rahmen einer Jagdgesellschaft auf Chimneys erledigen.»
    «Ich wollte eigentlich zum Wochenende fortfahren.»
    «Unsinn, Caterham, kein Mensch fährt Anfang Oktober weg.»
    «Mein Arzt ist der Meinung, dass ich eine Luftveränderung brauche», sagte Lord Caterham und blickte neidisch einem vorüberfahrenden Taxi nach.
    Er war aber nicht imstande, sich loszueisen, denn Lomax hatte eine sichere Methode, seine Gesprächspartner zu «fesseln» – zweifellos das Resultat langer Erfahrungen: Er klammerte sich am Rockaufschlag von Lord Caterham fest.
    «Mein Bester, ich mache Sie verantwortlich. Wir nähern uns einer nationalen Krise…»
    Lord Caterham drehte und wand sich innerlich. Er fühlte plötzlich, dass er lieber Hunderte von verkappten Jagdgesellschaften geben würde, als das Geschwätz von George Lomax noch länger zu ertragen.
    «Also gut», meinte er hastig, «ich bin einverstanden. Sie werden alles arrangieren, wie immer.»
    «Mein Lieber, da gibt es gar nichts zu arrangieren. Chimneys genießt historisches Interesse und liegt ideal. Ich selbst bleibe in der Abtei, nur etwa zehn Kilometer entfernt. Es wäre natürlich ungeschickt, wenn ich an der Gesellschaft teilnähme.»
    «Sicherlich», stimmte Lord Caterham zu, der keine Ahnung hatte, warum dies ungeschickt sein sollte.
    «Es wäre aber ganz gut, wenn Sie Bill Eversleigh einladen würden. Er könnte mir Botschaften übermitteln.»
    «Ausgezeichnet», sagte Lord Caterham etwas lebhafter. «Bill ist ein guter Jäger, und Bundle hat ihn recht gern.»
    «Die Jagd ist unwichtig. Sie gibt uns nur einen Vorwand ab.»
    «Das wären dann wohl alle. Der Fürst, sein Gefolge, Bill Eversleigh, Herman Isaacstein…»
    «Wer?»
    «Herman Isaacstein, der Vertreter des Konsortiums, von dem ich Ihnen erzählte. – Warum?»
    «Ach nichts. Ich wunderte mich bloß.»
    «Und dann müssten natürlich noch ein paar Unbeteiligte dabei sein, um der Geschichte einen harmlosen Anstrich zu geben. Lady Eileen könnte sich darum kümmern. Junge Leute, unkritisch und ohne Ahnung von Politik.»
    «Bundle wird das schon machen.»
    «Eine Sache macht mir Sorge» – Lomax zögerte – «Sie erinnern sich, wovon ich vorhin sprach?»
    «Oh, Sie sprachen von so vielen Dingen.»
    «Ich meine diese unselige Angelegenheit», er senkte seine Stimme zu einem geheimnisvollen Wispern, «die Memoiren des Grafen Stylptitch.»
    «Ich glaube, da sind Ihre Befürchtungen grundlos», sagte Lord Caterham und unterdrückte ein Gähnen. «Das Volk liebt Skandalgeschichten. Zum Kuckuck, mir selbst machen solche Reminiszenzen manchmal Vergnügen.»
    «Es geht nicht darum, ob die Leute das lesen; sie werden es geradezu verschlingen. Aber diese Publikation zum jetzigen Zeitpunkt könnte alles zerstören, alles! Das Volk von Herzoslowakien wünscht sich die Monarchie zurück. Es ist bereit, Fürst Michael die Krone anzutragen, der die Unterstützung der englischen Regierung genießt…»
    «Und der bereit ist, Mr Isaacstein & Co. Ölkonzessionen zu geben für die Millionen, die ihm auf den Thron helfen sollen.»
    «Caterham, Caterham», flehte Lomax entsetzt. «Diskretion! Diskretion vor allen Dingen!»
    «Tatsache ist», fuhr Lord Caterham unbeirrt fort, immerhin gehorsam die Stimme senkend, «dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher