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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen
Autoren: Agatha Christie
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will.»
    «Er möchte wissen, ob Sie um vier Uhr zuhause sind.»
    «Nein, ich fahre in den Tennisclub. Wieso überhaupt diese formelle Anfrage? Er wird mir doch nicht einen Antrag machen wollen?»
    «Würde mich nicht wundern.»
    «In diesem Fall könnten Sie ihm ausrichten, dass ich impulsive Männer bevorzuge.»
    «Männer wie mich?»
    «Bei Ihnen ist es kein Impuls, sondern nur eine Gewohnheit.»
    «Virginia, werden Sie denn nie…»
    «Nein, nein, nein, Bill! Vor dem Essen bin ich für Liebeserklärungen taub. Versuchen Sie doch endlich, in mir eine mütterliche Freundin zu sehen, die sich bereits dem mittleren Alter nähert und sich um Ihr Wohlergehen sorgt.»
    «Virginia, ich liebe Sie doch!»
    «Ich weiß, Bill. Und ich liebe es, wenn man mich liebt. Aber erzählen Sie mir lieber, was George von mir will.»
    «Er erwähnte nur, es sei sehr wichtig.»
    «Bill, ich werde neugierig. Es gibt so wenige Dinge, die für George wirklich wichtig sind – außer George. Ich glaube, ich muss auf das Tennismatch verzichten. Melden Sie George, dass ich ihn gehorsamst um vier Uhr erwarte.»
    «Es lohnt sich kaum mehr, vor dem Essen zurückzugehen. Virginia, seien Sie ein Engel und kommen Sie mit auf einen kleinen Happen.»
    «Das wäre eigentlich ganz nett», lächelte Virginia.
    «Und bitte, Virginia, sagen Sie mir, dass Sie mich gern haben – lieber als alle andern.»
    «Bill, ich bete Sie an! Und wenn ich unbedingt heiraten müsste – wenn zum Beispiel wie im Märchen ein böser Zauberer käme und zu mir sagte: Heirate oder du wirst zu Tode gefoltert – dann fiele meine Wahl auf Sie!»
    «Nun, dann –»
    «Aber es gibt keinen bösen Zauberer. Und ich ziehe es vor, eine lustige Witwe zu bleiben.»
    «Sie könnten tun und lassen, was Sie wollen. Ich würde mich ganz klein und unscheinbar machen.»
    «Bill, Sie verstehen mich nicht. Entweder heirate ich aus überströmender Liebe – oder überhaupt nicht.»
    Bill stöhnte.
    «Ich werde mich eines Tages doch erschießen müssen», murmelte er dumpf.
    «Nein, Bill, das werden Sie schön bleiben lassen. Sie werden ein nettes junges Mädchen zum Abendessen einladen – wie vorgestern Abend.»
    Mr Eversleigh schien leicht verwirrt.
    «Wenn Sie damit Dorothy Kirkpatrick meinen, die Kleine von der Revue, dann… ach zum Teufel, sie ist ein durch und durch anständiges Mädchen. Dabei war gar nichts Schlimmes.»
    «Natürlich nicht, Bill. Ich freue mich, wenn Sie sich gut unterhalten. Aber reden Sie bloß nicht von ‹Sterben an gebrochenem Herzen›, das ist alles.»
    Mr Eversleigh gewann seine Selbstsicherheit zurück.
    «Sie wollen mich nicht verstehen, Virginia», sagte er ernst.
    «Männer…»
    «Männer sind polygam veranlagt, ich weiß. Aber, Bill, wenn Sie mich wirklich lieben, dann führen Sie mich jetzt zum Essen aus.»

5
     
    D ie besten Pläne können missglücken. George Lomax hatte einen Fehler gemacht – in seinen Berechnungen war ein schwacher Punkt, und dieser Punkt hieß Bill Eversleigh.
    Bill Eversleigh spielte ausgezeichnet Kricket und Golf, hatte gute Manieren und ein liebenswürdiges Wesen, aber seine Anstellung im Ministerium hatte er nicht seiner Intelligenz zu verdanken, sondern seinen guten Beziehungen. Er war mehr oder weniger der Laufbursche von George Lomax. Kenntnisse oder Verantwortung verlangte sein Posten nicht.
    George Lomax hatte ihn zu der Schifffahrtsgesellschaft geschickt, um zu erfahren, wann die «Granarth Castle» fällig war. Nun hatte aber Bill, wie die meisten gut erzogenen jungen Engländer, eine höfliche, aber sehr unklare Aussprache. Seine Version des Wortes Granarth hätte alles und jedes heißen können. Der Angestellte der Schifffahrtsgesellschaft hielt es jedenfalls für Carnfrae. Die «Carnfrae Castle» sollte am Donnerstag einlaufen. Das sagte der Angestellte auch. Bill dankte höflich und verschwand. George Lomax nahm den Bericht entgegen und bereitete seine Pläne vor.
    Er wäre allerdings sehr überrascht gewesen, wenn man ihm am Mittwochmorgen, als er Lord Caterham am Rockaufschlag festhielt, erzählt hätte, dass die «Granarth Castle» bereits am Vortag in Southampton eingelaufen sei. Tatsächlich aber verließ Anthony Cade, alias Jimmy McGrath, schon am Dienstag um zwei Uhr den Zug am Waterloo-Bahnhof, winkte ein Taxi heran und gab dem Fahrer nach einigem Zögern das Hotel Blitz als Ziel an.
    «Man sollte es sich immer so angenehm wie möglich machen», sagte er zu sich selbst, während er neugierig aus dem
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