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Die Meerjungfrau

Die Meerjungfrau

Titel: Die Meerjungfrau
Autoren: Carter Brown
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Aufzug bewegte sich langsam
und mit gequältem Stöhnen aufwärts, und ich hoffte, daß er nicht auf halbem
Wege einer Koronarinsuffizienz erläge. Ich war nicht in der Stimmung für eine
Nachtwache zwischen zwei Stockwerken.
    Er schaffte es schließlich bis
zum vierten hinauf. Ich ging den Korridor entlang, bis zu Nummer zehn, und
drückte auf den Türsummer. Nichts rührte sich. Ich überlegte, daß ich
möglicherweise früher an ihrer Wohnung angekommen war als sie — sofern sie
überhaupt heimkam. Wenn ich dieses trostlose Loch als mein Heim hätte
bezeichnen müssen, wäre ich nicht allzuoft nach Hause
gekommen.
    Erneut drückte ich auf den
Summer, und dann hörte ich drinnen in der Wohnung Schritte. Gleich darauf wurde
ein Fenster geöffnet. Ich drehte am Griff, und die Tür schwang nach innen auf.
Ich rannte in die Wohnung hinein.
    Innen stolperte ich gleich über
einen Stuhl und flog der Länge nach auf den Boden. Vom Fenster her kam der
Knall einer schwerkalibrigen Pistole, und ich hörte,
wie die Kugel hinter mir in die Holzverkleidung fuhr. Ich war dem Stuhl, der
meinen Sturz verursacht hatte, dankbar.
    Dann war das Klappern eiliger
Schritte zu hören, die sich draußen über die Eisenstufen der Feuertreppe nach
unten entfernten. Ich stand langsam auf und wünschte mir, ich hätte eine Waffe
bei mir. Dann ging ich zu dem offenen Fenster und spähte hinaus.
    Flüchtig konnte ich einen Mann
in einem Mantel, einen weichen Hut auf dem Kopf, erkennen. Er erreichte eben
den zweiten Treppenabschnitt. Ich sah verschwommen das bleiche Gesicht, als er
heraufblickte. Plötzlich schien seine blasse Hand in einer orangefarbenen
Flamme zu explodieren. Zwei Schüsse knallten so dicht hintereinander, daß es
wie ein einziger klang. Ich hörte ein Summen wie von einer zornigen Biene, als
die Kugeln neben meinem Gesicht Stücke aus dem Fensterrahmen rissen. Winzige
Splitter stachen mich.
    Dann begriff ich. Der Kerl auf
der Feuertreppe verteidigte auf leidenschaftliche Weise sein Privatleben.
Hastig zog ich den Kopf zurück ins Zimmer, während von unten her zwei weitere
Schüsse folgten und weitere Löcher im Fensterrahmen verursachten.
    Ich tastete meinen Weg zurück
ins Zimmer und stolperte dorthin, wo ich den Lichtschalter vermutete, ließ
meine Hand links der Tür an der Wand hinuntergleiten und schaltete das Licht
ein.
    Selbst unter den günstigsten
Umständen wäre der Raum nicht sonderlich ansehnlich gewesen. Aber im Augenblick
herrschten alles andere als günstige Umstände. Schubladen waren aus den
Kommoden herausgezogen, ihr Inhalt auf den Boden geworfen worden. Die
Sofakissen waren aufgeschnitten, die Schränke geleert, Stühle umgekippt worden.
    Eine Tür führte in ein
dahinterliegendes Schlafzimmer. Ich ging auf sie zu und blickte hinein. Auch
hier waren deutliche Spuren einer erbarmungslosen Durchsuchung zu erkennen. Auch
hier waren die Schubladen auf den Boden entleert, Kissen aufgeschnitten, die
Leintücher des ungemachten Bettes in Streifen gerissen worden.
    Ich kehrte ins Wohnzimmer
zurück und blickte mich um. Der Verputz der einst weißen Decke blätterte ab und
wirkte im Licht der nackten Deckenbeleuchtung gelb. Das Mobiliar war billig
gewesen, als es neu gekauft worden war, und es wies Anzeichen langer Benutzung
und mangelnder Pflege auf. Ich fragte mich, wo Mrs. Baxter wohl die fünfhundert Dollar Vorschuß herbekommen hatte, die Paul Cramer als Minimum verlangt, bevor die Agentur
einen Fall überhaupt übernimmt.
    Mrs. Baxter war ein steiler Zahn,
aber Paul Cramer teilte meine Schwäche für süße Miezen nicht. Aus Erfahrung
wußte ich, daß er Honorare nur in jener Münze annahm, die man auf der nächsten
Bank einzahlen konnte. Selbst von einer so attraktiven Auftraggeberin wie Mrs. Baxter.
    Natürlich bestand immer noch
die Möglichkeit, daß sie über eine gute Fee als Patin verfügte — oder einen
Paten. Vielleicht verwandelte sich dieses Bums hier um Mitternacht in einen
hellglänzenden Palast und sah nur tagsüber so aus wie jetzt, um die Jungen von
der Steuerprüfung zu täuschen.
    Ich ging in die kleine Kitchenette . Das bißchen, was es dort überhaupt gab, war
ein wildes Durcheinander. Mehl- und Zuckerbüchsen waren auf den Boden
geschüttet worden. Die Tischschublade war herausgezogen und zur Seite geworfen
worden.
    Ich suchte aus dem Tohuwabohu
ein Messer heraus und benutzte es, um die Kugel herauszubohren, die auf mich
abgeschossen worden war und in der Holzverkleidung steckte. Sie
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