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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco
Autoren: Nicolas Remin
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getroffen haben, ein wenig geplaudert?»
    Spaur zuckte die Achseln. «Mir erzählt Toggenburg aus Prinzip nichts. Er hat lediglich ein paar Andeutungen gemacht. Offenbar wird der genaue Ablauf der kaiserlichen Visite diesmal als Staatsgeheimnis behandelt. Es gibt nur Gerüchte.»
    «Was wissen wir gerüchteweise?»
    «Dass der Kaiser die Südbahn nimmt und über Triest anreist. Und dann die Fahrt auf der Dampferfregatte Jupiter fortsetzt. Man munkelt, dass diesmal auch der Besuch eines Gewerbebetriebs geplant ist, der ein für diese Region typisches Produkt herstellt. Es kann also gut sein, dass der Kaiser eine Saline besichtigt oder dem Arsenal einen Besuch abstattet.»
    «Das Arsenal ist ein Witz», sagte Tron. «Die großen  Schiffe werden heute in Triest gebaut. Der Kaiser könnte höchstens eine Gondelwerft besuchen.»

    Spaur hob entnervt die Schultern. «Ich weiß es auch  nicht, Commissario. Wir müssen einfach abwarten. Angeblich wird der Kaiser sich auf dem Markusplatz dem Volk zeigen und den kroatischen Jägern einen Besuch auf der Dogana abstatten. Dann soll es noch einen Empfang im Palazzo Reale geben. Eine rein militärische Angelegenheit, soweit ich das verstanden habe.»
    «Haben wir etwas mit der Absicherung zu tun, wenn  sich der Kaiser tatsächlich dem Volk zeigt?»
    Der Polizeipräsident sah Tron resigniert an. «Das würde ich auch gerne wissen. Aber es sieht im Moment tatsächlich so aus, als würde man keinen großen Wert auf unsere Mitarbeit legen.»
    «Soll das bedeuten, dass wir den Besuch des Kaisers vollständig ignorieren?»
    Spaur schüttelte den Kopf. «Natürlich nicht. Wir ziehen vorsichtshalber für diese drei Tage Personal aus anderen Sestieri ab und verstärken unsere Kräfte in San Marco dort, wo sich der Kaiser aufhält», sagte Spaur. «Und falls wirklich etwas passiert, falls tatsächlich jemand einen Anschlag auf das Leben des Kaisers planen sollte – vielleicht sind wir ja dann schneller als das Militär.»
    Spaur streckte seine Hand nach dem Likörglas aus und warf einen nachdenklichen Blick auf das kaiserliche Portrait an der Wand. «Dann würde der Kaiser uns sein Leben verdanken», sagte er. «Und Toggenburgs Kopf würde auf dem Block liegen. Wir könnten, äh …» Der Polizeipräsident leerte sein Likörglas mit einem Zug und heftete einen träumerischen Blick auf die rötlichen Reste des Getränks im Glas.
    «Wir könnten was?», erkundigte sich Tron.
    Spaur hob den Blick, räusperte sich und schickte ein nervöses Lächeln über den Schreibtisch. Schließlich wedelte er mit der linken Hand, so als würde er einen unstatthaften Gedanken verscheuchen. «Nichts, Commissario.»
    «Hat Toggenburg irgendetwas über einen möglichen  Anschlag auf das Leben des Kaisers angedeutet?»
    Der Polizeipräsident schüttelte den Kopf. «Mit keinem Wort.» Seine Augen zogen sich zusammen. «Wie kommen Sie darauf?»
    « Ispettore Bossi ist ein Gerücht zu Ohren gekommen.
    Angeblich planen ein paar Leute ein Attentat.»
    «Woher hat Bossi diese Information?»
    Tron seufzte. «Von seinem Friseur. Ich gebe zu, dass es sich hier um keine sehr zuverlässige Quelle handelt.»
    «Gerüchte über einen Anschlag», sagte Spaur, «gibt es jedes Mal, wenn der Kaiser nach Venedig kommt.» Er schien fast ein wenig enttäuscht zu sein. «Die übliche Garibaldi-Folklore. Also vergessen Sie dieses Gerücht.»
    Der Polizeipräsident griff nach der Likörflasche, schenkte sich großzügig nach und trank das Glas sofort zur Hälfte leer. Dann sah er Tron an. «Aber ich kann Ihnen etwas verraten, was kein Gerücht ist, Commissario.» Spaur lehnte sich lächelnd in seinem Sessel zurück. «Franz Joseph wird diesmal von der Kaiserin begleitet.»
    Wie bitte? Einen Moment lang war Tron davon überzeugt, dass er sich verhört hatte. Die Kaiserin in Venedig?
    Er schloss die Augen und musste unwillkürlich daran denken, wie er sie im Ballsaal des Palazzo Tron zum ersten Mal gesehen hatte: eine maskierte junge Frau, die unter all den Ballgästen ein wenig verloren gewirkt hatte. Sie waren sich seit jener Nacht nie wieder begegnet.
    Tron räusperte sich. «Die Kaiserin wird den Kaiser begleiten? Das ist sehr ungewöhnlich. Wird Ihre Hoheit anschließend noch in der Stadt bleiben?»

    Spaur hob die Schultern. «Davon ist mir nichts bekannt.
    Ich wüsste im Übrigen auch nicht, bei welcher Gelegenheit Sie Ihre Bekanntschaft erneuern könnten.» Der Polizeiprä sident lächelte anzüglich. «Dass man Sie auf den
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