Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
Absicht hatte, Platzpatronen zu benutzen. Crenneville war ziemlich schockiert und hat mich um Diskretion gebeten. Der Kaiser glaubt noch immer, es sei alles nach Plan verlaufen.»
    «Und deine offizielle Rolle in diesem Stück?»
    «Ich habe geglaubt, dass der Mann tatsächlich ein Attentat durchführen wollte, und ihn irrtümlich erschossen. Das ist meine offizielle Rolle.»
    «Also spielst du jetzt in diesem Schmierentheater mit», stellte die Principessa nüchtern fest.
    «Ich habe von Anfang an mitgespielt. Nur, dass ich es nicht wusste.» Er schielte unauffällig zu der Stutzuhr, die auf dem Kamin stand. «Bist du fertig?»
    Die Principessa warf einen letzten Blick in den Spiegel und erhob sich mit der Miene einer Märtyrerin. «Ob die Kaiserin dem Kaiser erzählt hat, dass ihn der Mann tatsächlich umbringen wollte?»

    Tron hob die Schultern. «Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall wird Franz Joseph heute Abend seinen großen Auftritt haben.»

    Da sie in der breiten Gasse sehr langsam auf die Mitte des Saales zuschritten, hatte Franz Joseph genug Zeit, die erstaunliche Verwandlung zu bewundern, die der Saal in den letzten vierundzwanzig Stunden durchgemacht hatte. Er hatte diese protzige Hinterlassenschaft Napoleons, diese steife Halle mit ihren plumpen Säulen, die aussahen, als wären sie aus Blei, nie gemocht. Jetzt sah er mit Entzücken, dass fleißige Hände den Ballsaal in einen riesigen Wintergarten verwandelt hatten. Von der Decke hingen, von dünnen Eisenketten gehalten, Dutzende Körbchen voller Orchideen, die ihre dicklichen Triebe nach allen Seiten ausstreckten. Zwei riesige chinesische Rosensträucher, deren prächtiger Mantel aus Laub und Blüten bis auf den marmornen Boden reichte, flankierten das Orchester an der Stirnseite des Ballsaals. Zwischen den Säulen waren in hölzernen Kübeln Palmen aufgestellt worden. Leicht und anmutig gewölbt spannten sie ihre Fächer aus, prangten mit ihren runden Kronen und ließen ihre Wedel herabhängen wie Ruder.
    Als sie die Mitte des Ballsaals erreicht hatten, war die Hymne zu Ende. Hier sah das Protokoll vor, dass er mit einer ritterlichen Verbeugung den Arm der Kaiserin freigab, sich mit einem Schritt von ihr löste, um lächelnd dem Beifall der Anwesenden zu danken, wobei die Damen einen Knicks andeuteten und die Herren sich verbeugten. Nur dass es diesmal, zu seinem grenzenlosen Entzücken, ein wenig anders kam. Hatte Crenneville den ersten Hochruf ausgebracht? Oder Oberst Hölzl, der neben dem Generaladju tanten stand? Oder war es, dachte Franz Joseph, einfach die unterdrückte Erregung gewesen, die er bereits bei seinem Eintritt in den Saal gespürt hatte und die sich jetzt in einem spontanen Ausbruch monarchistischer Begeisterung entlud?
    Denn plötzlich war der ganze Saal, so wie heute Nachmittag die Piazza, erfüllt von ekstatischen Hochrufen.
    Ein Triumphzug. Eine ganze Stadt, die den Verschonten zujubelt.
    Franz Joseph schloss einen Moment lang selig die Augen und dachte daran, wie er vor einer Woche am Fenster der Hofburg gestanden hatte und voller Sorge, ob sein Plan funktionieren würde, auf die Kutsche Crennevilles gewartet hatte. Nun, er hatte funktioniert! Und wie! Die Operation – seine Operation – war abgeschnurrt wie ein Schweizer Uhrwerk, und das Sahnehäubchen auf dem Ganzen war, dass es Crenneville gelungen war, den Attentäter zu liquidieren. Wie genau der Generaladjutant das bewerkstelligt hatte, blieb ein wenig unklar. Aber es war offenbar gelungen, den Commissario so zu manipulieren, dass ihm nichts anders übrigblieb, als den Mann zu erschießen. Dass dieser Tron jetzt als Retter des kaiserlichen Lebens galt, war natürlich ein Witz. Aber es würde kein Problem sein, nachher ein paar dankende Worte an ihn zu richten und eine entsprechende Distinktion in Aussicht zu stellen. Dieser Tron galt als extrem ehrgeizig – da war ein Orden genau das Richtige.
    Und die Kaiserin, die jetzt strahlend schön an seiner Seite stand? Als er vor dem Ball in ihre Suite gekommen war, um ihr die Halskette zu überreichen, war sie ihm spontan um den Hals gefallen und hatte ihn Joschi genannt. Dann hatte sie ihn lange angesehen – mit einem Blick, der seltsam unentschieden war, so als wüsste sie nicht genau, wen sie da eigentlich vor sich hatte. Einen weniger erfahrenen Mann hätte das irritiert. Doch er verstand genug von Frauen, um hinter der scheinbaren Unentschlossenheit ihrer Miene die tiefe Bewunderung zu spüren, die eine Frau einem Mann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher