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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco
Autoren: Nicolas Remin
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Stiefel.»

    Die Stiefel, ebenfalls mit üppigen silbernen Stickereien verziert, bestanden aus gelbgefärbtem Leder und reichten fast bis zu den Knien. Da sie zu groß waren, hatte Tron sie mit Zeitungspapier ausgestopft. Gehen konnte er nur, wenn er die Fußspitzen nach außen drehte.
    «Was bist du jetzt?», wollte die Principessa wissen. Sie saß wie ein junges Mädchen mit angezogenen Beinen auf dem Fensterbrett des Schlafzimmers und rauchte eine Zigarette. Ein milder Westwind hatte den morgendlichen Nebel vertrieben, und der Himmel hinter der Principessa war wolkenlos blau. Das Wetter, dachte Tron, würde sich auf jeden Fall bis zum Abend halten.
    «Ich bin ein Rittmeister der Honved-Husaren», sagte  Tron. «Eigentlich gehört zu dieser Uniform noch ein Tigerfell, das ich über der linken Schulter tragen müsste. Aber es hat nach Fisch gerochen, und wir haben es weggelassen.
    Signor Carducci meint, an diesem Punkt sind die Adjustierungsvorschriften unklar.»
    «Du siehst ziemlich auffällig aus», stellte die Principessa fest.
    «Würde jemand, der nicht bemerkt werden möchte, eine solche Uniform tragen?»
    «Wahrscheinlich nicht.»
    Tron nickte. «Also ist diese Uniform die beste Tarnung, die es nur geben kann.»
    «Wie genau wird es ablaufen?»
    «Völlig undramatisch», sagte Tron. «Ich gehe, nachdem ich meinen Passierschein ein paarmal vorgezeigt habe, die Personaltreppe bis ganz nach oben und betrete den Dachboden. Wo sich der Mann vermutlich bereits aufhalten wird.»
    «Und dann?»

    «Stelle ich mich vor und unterbreite ihm unseren Vorschlag.»
    «So als hättet ihr euch gemütlich in einem Café verabredet?»
    «Genau.»
    «Wirst du bewaffnet sein?»
    «Ich werde einen Revolver und ein Paar Handschellen  mitnehmen.» Tron lächelte. «Falls der Mann meinen Argumenten nicht folgen kann. Aber es gibt keinen Grund, dieses Gespräch unnötig zu dramatisieren.»
    Die Principessa war noch immer nicht überzeugt. «Und du glaubst, dass sich der Mann auf den Handel einlassen wird?»
    «Das hat mich die Kaiserin auch gefragt.»
    «Was hast du ihr geantwortet?»
    «Dass ich überzeugende Argumente habe. Alles, was der Mann bisher getan hat, war äußerst rational. Er tötet nur, wenn er muss. Und er hatte gute Gründe, mich ebenfalls zu töten.»
    «Die er jetzt nicht mehr hat, glaubst du.»
    Tron schüttelte den Kopf. «Der Mann ist kein Fanati ker.»
    «Hat das die Kaiserin überzeugt?»
    «Ich denke schon.»
    «Erstaunlich, dass sie dich ausgerechnet im Florian treffen wollte.»
    «Absolut nicht. Das Florian ist so ziemlich der letzte Ort, an dem man die Kaiserin von Österreich erwarten würde.»
    «Sie ist eine bemerkenswerte Frau. Es wird interessant sein, sie kennenzulernen.» Die Principessa sah auf die Uhr, die wie ein Medaillon an ihrer Halskette hing. «Wann musst du los?»

    «Gleich.»
    «Ich hasse es, wenn du zu deinen Verabredungen gehst.»
    Tron lächelte. «Verabredung ist das richtige Wort. Ich werde ein Gespräch führen, den Mann in Sicherheit bringen und spätestens um sechs wieder zurück sein. Dann ist noch reichlich Zeit, sich für den Ball umzuziehen.»

    Venedig leuchtete. Als Tron zwanzig Minuten später an der Calle Vallaresso aus der Gondel stieg und sich der Rückfront der Ala Napoleonica näherte (er wollte in seiner Uniform nicht über die Piazza laufen), spannte sich ein Himmel aus reinstem Della-Robbia-Blau über der Stadt. Es war fast sommerlich warm, und nach wenigen Schritten fing Tron an, unter seinem pelzbezogenen Helm mit der Straußenfeder zu schwitzen. Auch die prunkvollen gelben Stiefel, wohl eher für eine Fortbewegung zu Pferde gedacht, waren höchst ungeeignet. Nachdem Tron das Zeitungspapier, das seinen Füßen Halt geben sollte, flachgetreten hatte, lockerten sich die Stiefel, und er war gezwungen, mit kleinen, watschelnden Trippelschritten zu gehen.
    Was allerdings in dem Menschengedränge, in das er sofort geraten war, nicht auffiel. Erstaunlich, dachte Tron, wie groß das Interesse der Venezianer am öffentlichen Auftritt des Kaisers war. Ein regelrechter Menschenstrom wälzte sich durch die schmalen Gassen, die zur Piazza führten, und als die Menge sich vor der Ala Napoleonica staute, erwies sich Trons prunkvolle Husarenuniform als nützlich: Man machte ihm respektvoll Platz, was er mit einem freundlichen Tippen des Zeigefingers an die Schläfe beantwortete.
    Die erste Kontrolle, von kroatischen Jägern vorgenommen, fand unmittelbar vor dem Eingang des
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