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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco
Autoren: Nicolas Remin
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MARCIANA! »
    Franz Joseph wusste, dass sich Oberst Hölzl jetzt mit seinen Leuten in Bewegung setzte, und er spürte, wie sich die Menge angesichts der schnellen kaiserlichen Reaktion wieder beruhigte. Er warf einen Seitenblick auf die Reste des Blumenkübels und unterdrückte ein Lächeln, als er daran dachte, wie echt die Explosion gewirkt hatte – ein raffinierter Bühneneffekt, der Crenneville oder diesem Oberst Hölzl offenbar in letzter Sekunde eingefallen war. Dass man unterlassen hatte, ihn zu informieren, war nicht korrekt, aber er musste zugeben, die Inszenierung war gelungen.
    Die Kugel des Attentäters hatte ihn knapp verfehlt und war stattdessen im Blumenkübel gelandet. Alle hatten es gesehen. Besser hätte es nicht laufen können.

54
    «Das Collier ist perfekt», sagte Tron.
    Er ließ den Verschluss einrasten, klappte den winzigen Bügel zu und unterdrückte mannhaft den Impuls, den Nacken der Principessa zu küssen. Die saß vor dem Spiegel ihres Toilettentischs, und ihr Gesicht, flankiert von zwei vierarmigen Kerzenleuchtern, schwebte über einem Grund von Parfumflakons, Puderdosen, Handspiegeln, Kämmen  und Bürsten wie eine Vision. Tron hätte es nicht gewundert, wenn die Principessa sich im nächsten Augenblick zum Himmel erhoben hätte, wie Tizians Assunta in der Frari-Kirche.
    «Das Collier ist nicht perfekt», sagte die Principessa mürrisch. «Es lässt mich alt aussehen.»
    Äh, wie bitte? Tron verdrehte die Augen. Er war vor einer halben Stunde im Palazzo Balbi-Valier eingetroffen und hatte sich, da die Zeit drängte, sofort in seinen Frack geworfen. Die Principessa war noch immer damit beschäftigt, ihr Äußeres zu verbessern – ein Vorgang, der sich jedes Mal quälend in die Länge zog, wenn sie gemeinsam ausgingen.
    «Erzähl weiter», sagte die Principessa. Ihre Hand pendelte unschlüssig zwischen zwei Puderquasten. «Hat Königsegg gesagt, weshalb er auf dem Dachboden erschienen ist?» Eine Puderquaste war hellbraun, die andere auch. Tron überlegte, ob er die Principessa darauf hinweisen sollte.
    «Weil ihn die Kaiserin geschickt hat», sagte er. «Ich hatte gestern im Florian das Wort Nahkampf benutzt. Das ist ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Königsegg», fuhr er fort, «hat übrigens darauf bestanden, dass ich den Mann bereits erschossen hatte, als er kam.»
    Die Hand der Principessa pendelte noch immer zwischen den Puderquasten. «Er überlässt die Heldenrolle dir ?»
    «Er steht in meiner Schuld und wollte vermutlich einen Teil davon begleichen», sagte Tron. Er schloss die Augen, um dem Anblick der pendelnden Hand zu entgehen. «Ich konnte ihn nicht davon abbringen. Er ist auch sofort wieder verschwunden.»
    «Hast du ihn darüber aufgeklärt, dass das alles eine Farce war, die außer Kontrolle geraten ist, weil man sich den falschen Mann ausgesucht hat?»
    Tron nickte. «Ja, natürlich. Und das wird er auch der Kaiserin sagen.»
    «Und was ist danach passiert?» Jetzt ergriff die Hand der Principessa – endlich! – eine der Puderquasten und führte sie an ihre Stirn, um dort eine Verbesserung zu bewirken.
    Ein zufriedener Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Tron konnte keine Veränderung auf ihrer Stirn erkennen.
    Er lächelte schmal. «Kann ich dir das auf dem Weg erzählen, Maria? Es ist schon halb acht.»
    Die Principessa sah Tron an wie durch pures Eis. «Du siehst doch, dass ich noch nicht fertig bin. Erzähl jetzt weiter.» Sie ergriff einen kleinen Pinsel und führte ihn zu ihrer linken Augenbraue.
    «Dann ist ein Oberst Hölzl mit einem Trupp Soldaten  aufgetaucht», sagte Tron matt. Er verspürte plötzlich den irrationalen Wunsch, auf dem Deck eines explodierenden Schiffes zu stehen. Oder mit Bossi eine illegale Exhumierung vorzunehmen. «Ich habe dem Oberst erklärt», fuhr er fort, «dass ich gerade einen Mann erschossen habe, der einen Anschlag auf den Kaiser verüben wollte. Und dass ich seinen vorgesetzten Offizier sprechen möchte. Eine halbe Stunde später kam Crenneville, und wir sind in sein Büro gegangen.»
    Die Principessa ließ den Pinsel fallen und ballte die Hand vor dem Mund zur Faust – ganz die romantische Heroine in grässlicher Seelenpein. «Ich sehe furchtbar aus.» Dann ohne Pause weiter, denn sie hatte offenbar zugehört: «Was hast du Crenneville erzählt?»
    «Dass ich über die Farce, die hier abgelaufen ist, inzwischen Bescheid weiß», sagte Tron. «Und dass sie an den falschen Mann geraten sind. An jemanden, der nie die
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