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Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Titel: Ferien mit Mama und andere Katastrophen
Autoren: Petra Kasch
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Das erste Mal im Leben hatte Mama bei ihren Kreuzworträtseln etwas gewonnen. Und nicht etwa eine dieser Kaffeemaschinen oder Billigmatratzen. Nein, Mama hatte eine Reise gewonnen. Eine richtige Reise nach Kreta! Das war total verrückt, denn ich dachte, ich müsste in den Sommerferien wieder zu Oma Inge ins Sauerland. Nicht, dass ich was gegen Oma Inge habe, aber das Sauerland ist nicht gerade der richtige Ort, wenn man schon vierzehn ist und noch nicht mal einen Jungen geküsst hat.
    Wir hatten genau drei Tage, um Mamas Chef davon zu überzeugen, dass seine beste Restaurantkraft mitten in der Saison ausfallen würde. Zunächst zickte er ein bisschen herum, aber Mamas Kollegen waren echt nett. Sie haben Mamas Schichten einfach unter sich aufgeteilt, damit wir fahren konnten. Das werden die besten Ferien deines Lebens, Sophie Fischer, habe ich die ganze Zeit gedacht. So ein Glück hat man nur ein Mal. Acht Tage Kreta!
    »Das haben wir alles Hekate zu verdanken«, trällerte Mama ausgelassen, als wir unsere Sachen packten. Denn das war das Lösungswort gewesen: HEKATE . Griechische Göttin der Zauberei und Totenbeschwörung. Wenn ich allerdings vorher gewusst hätte, wozu diese Hekate fähig ist, wäre ich vielleicht doch lieber ins Sauerland gefahren …
    Wir flogen mitten in der Nacht los. Mama spendierte uns sogar eine Taxifahrt zum Flughafen. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so luxuriös chauffiert wurde. Ich glaube, als ich vom Baum in unserem Hof gefallen bin und eine Gehirnerschütterung hatte. Mama schwebte in Todesangst und ich irgendwo zwischen Himmel und Erde, weil ich das Bewusstsein verloren hatte.
    Nicht viel anders fühlte es sich an, als wir mit unserem Gepäck zur Abflughalle zuckelten. Dass wir nicht allein abheben würden, war selbst einer Erstfliegerin wie mir klar. Doch als ich die Reisegruppe sah, wurde mir noch übler als nach meinem Freiflug vom Baum. Nicht einer von denen war auch nur annähernd in meinem Alter. Und als Krönung ragte aus der Mitte dieser Rentnertruppe ein braun gebrannter Mann mit einem großen Schild, auf dem Wanderstudienreise Kreta stand.
    »Ulrike und Sophie Fischer?«, fragte er freundlich, als wir wie hypnotisiert sein komisches Schild anstarrten.
    Mama nickte nur stumm. Von Wandern und Studien hatte sie die letzten drei Tage nicht geträumt, eher von Strand und Palmen. Der zweite Schock erwischte gleich darauf mich. Neben der Reisegruppe lungerte verloren ein einzelner Mann herum und wusste offenbar nicht, wohin er schauen sollte. Da stand doch tatsächlich mein Mathelehrer! Was wollte der denn hier?
    »Was ist denn los?«, zischte Mama, als ich mich hinter ihr verstecken wollte.
    »Gar nichts«, zischte ich zurück. Wenn sie zum letzten Elternabend gegangen wäre, wüsste sie es. Aber da hatte sie ja wieder mal Spätdienst gehabt.
    Plötzlich zog sie mich dicht an sich heran. »Ich glaube, hier sind lauter Lehrer!«
    »Was du nicht sagst.«
    Stumm schauten wir uns um. Wir waren umringt von wild entschlossenen Bildungsfliegern, ausgerüstet mit schweren Wanderschuhen und Rucksäcken. Das waren alles Wiederholungstäter, jede Wette! Ade, Swimmingpool, ade, Urlaub unter Palmen. Hier kam das Ferienbildungsprogramm!
    »Egal«, seufzte Mama schließlich. »Gewonnen ist gewonnen«, und schob mich Richtung Abfertigungsschalter.
    Da gab es aber gleich die nächste Blamage. Als ich meinen Koffer auf das Laufband hievte, sagte die Schalterfrau mit ausdruckslosem Gesicht: »Drei Kilo Übergepäck.«
    Ich wurde rot und wusste nicht, was ich machen sollte. Übergepäck? Ich kannte nur Übergewicht. Hinter uns begannen einige zu murren, weil es nicht weiterging.
    »Was hast du denn da eingepackt?«, zischte Mama mir ins Ohr.
    Wenn ich ihr das verriet, würde sie mich sofort heimschicken. Also presste ich die Lippen zusammen und sagte keinen Ton.
    Da mischte sich der Reiseleiter ein. »Junge Damen haben halt immer etwas mehr dabei«, sagte er grinsend zu der Schalterfrau. »Aber schauen Sie, ich reise nur mit kleinem Gepäck. Das Flugzeug wird also nicht gleich vom Himmel fallen.«
    Er sprach so laut, dass es auch noch die in der letzten Reihe mitbekamen und zu lachen anfingen. Ich hatte jetzt nicht nur ein rotes Gesicht, sondern auch glühende Ohren. Mama schob mich rasch vom Schalter weg.
    Irgendwann ist das Flugzeug dann auch gestartet, aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich versuchte, mich so unsichtbar wie möglich zu machen. Mein Mathelehrer schien wohl das
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