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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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hielt Kyrrispörrs klebrige Hand am Handgelenk in die Höhe. Der Tisch bog sich vor Lachen. Nur einer, einer lachte nicht – oder nein, Eyvindr Kelda lachte, aber es war nur eine Maske, denn seine Augen wanderten wachsam durch den Raum.
    Kyrrispörr wischte sich die Hand am Kittel ab und nahm einen tiefen Schluck von dem herben Beerenwein, der in den Tonbechern vor ihnen stand. Dieses merkwürdige Gefühl blieb bestehen, dass irgendetwas nicht stimmte, so, als hätte sich Eyvind Keldas Alarmbereitschaft auf ihn übertragen. Kyrrispörr ertappte sich dabei, wie er nach seinem Messer tastete. Er sah sich um, überhörte dabei die schlüpfrigen Andeutungen der anderen, so gut es ging, konnte aber beim besten Willen keinen Grund für Eyvinds Misstrauen bemerken. Schon wurde ihm erneut das Prunkhorn in die Hände gedrückt, diesmal mit einem Spruch zu Ehren der Ahnen. König Olafr Tryggvason ließ es offenbar jedes Mal wieder bis zum Rand füllen, sobald es am Kopfende der Tafel angekommen war.
    Gerade wollte Kyrrispörr einen tiefen Zug von dem köstlichen Met nehmen, da wurde es ihm von Hæric aus den Händen gerissen.
    »Gib her, gib her!«, rief sein Vater. Obwohl Kyrrispörr bislang nur in der ersten Runde einen recht kleinen Schluck davon abbekommen hatte, war ihm das süße Gebräu zu Kopfe gestiegen. Heute vertrage ich einfach nichts, dachte er. Plötzlich wünschte er, auf seiner Bettstatt zu liegen und den ganzen Lärm einfach hinter sich zu lassen. Aber das war natürlich unmöglich.
    Er sah auf, als der Seher Þorbjörnr Eyvind Kelda fragte: »Weshalb so schweigsam?«
    Eyvindr setzte ein Lächeln auf und reichte das Prunkhorn weiter, nachdem er es zu Ehren seiner Vorväter kurz an die Lippen gesetzt hatte. Hatte er überhaupt daraus getrunken?, fragte sich Kyrrispörr verwundert.
    »Nun, ich genieße eure Freude! Es ist wunderbar, uns alle hier versammelt zu sehen.«
    »Der König hat seine harten Worte vergessen!«, rief Þorbjörnr. »Wahrlich ein Grund zum Feiern! Doch sag, Eyvindr, deine Schiffe? Du hattest eine Begegnung mit einem Meeresungeheuer, wie man hört?«
    »Ja, und es war so groß!«, rief der Nachbar von Eyvind Kelda und spreizte die Arme, wodurch nicht nur ein Tonbecher vom Tisch gefegt wurde, sondern die Feiergemeinde auch in neuerliches Gelächter ausbrach. Einige mussten sich am Tisch festhalten, so betrunken waren sie schon. Und das war merkwürdig. Kyrrispörr wusste aus Erfahrung, dass sie sonst weitaus mehr vertrugen. Eyvinds Misstrauen war ganz auf Kyrrispörr übergesprungen. Er blickte zu dem Meisterseher hinüber, aber der war in ein Gespräch verwickelt worden und hielt eine gezwungen fröhliche Miene aufrecht.
    Schon wieder kreiste das königliche Prunkhorn. »Auf Frieden und ein gutes Jahr!« Kyrrispörr setzte es an die Lippen, der köstliche Duft stieg ihm in die Nase, schon wollte er sich einen Zug gönnen, da hielt er mitten in der Bewegung inne. Langsam ließ er das Horn sinken, das ihm auch gleich aus den Händen gerissen wurde. Er wusste selbst nicht so genau, was ihn vom Trinken abhielt. Vergiften wollte der König sie doch wohl kaum. Auch wenn er gegen die Seimenn gewettert hatte, hieß das nichts. Kyrrispörr hatte gelernt, dass das, was ein König sagte, nicht unbedingt dem entsprach, was er wirklich dachte, und schon gar nicht dem, was er dann tat.
    Aber wo war König Olafr eigentlich? Erst jetzt fiel es Kyrrispörr auf, dass der Thron am Kopfende der Tafel verlassen war. Gleichviel, was soll das Misstrauen – auch der König muss mal raus, dachte er. Er griff nach seinem Becher, um sich mit einem Schluck Beerenwein zu beruhigen, und bemerkte dabei, wie Eyvindr Kelda das Prunkhorn wiederum weitergab, ohne wirklich daraus getrunken zu haben.
    Ein schmerzhafter Rippenstoß riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Kyrrispörr, warum stellst du der Astrid nach?«, rief Ulfbjörnr so laut, dass es ihm in den Ohren dröhnte, und besprenkelte seine rechte Wange mit Spucke. »Die Ingebjorg hat dich doch schon ins Herz geschlossen!«
    »Hat sie ihn auch schon vernascht?«, ließ sich eine Stimme vernehmen, und als eine andere lachte: »Sicher jeden Abend, davon können wir nur träumen«, wieherte die ganze Tafel.
    »Was wohl deine Mutter sagt, mächtig stolz muss sie auf dich sein«, fuhr Ulfbjörnr fort. »Wenn der erst einmal mit der Gespielin unseres Königs in sein Dorf zurückkehrt, guckt mal, was für ein Paar!«
    »Mein Dorf ist abgebrannt«, rief Kyrrispörr aufgebracht.
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