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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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stürmte …
    Kyrrispörr traf eine Entscheidung. Es war Zeit für den Abschluss. Ein letztes Mal drehte er einen der Runenstäbe, ein letztes Mal forschte er murmelnd nach dem Willen des Schicksals, bevor er in sich ging, um sich zu sammeln. Unmerklich brachte er seine linke Faust in Position. Die Flamme des Talglichts rußte ruhig vor sich hin.
    Als er Luft holte, hing Astrid an seinen Lippen.
    »Der Lauf der Dinge wird dir verraten, ob es Tag oder Nacht ist.« Mit einem Ruck sah er sie an, sodass sie erbebte, und donnerte: »Aber wenn es Nacht ist, dann wird sie ewig sein!«
    Ein greller Blitz zuckte zwischen ihnen auf. Geblendet schlug sie die Hände vors Gesicht, sprang auf und rannte hinaus.
    Aus dem Langhaus aber trat Seimar Kyrrispörr Hæricson ins Sonnenlicht und sah ihr nach. Hinter ihm schrie der Falke.

Ein Fest des Feuers
    Nein, nein, nein. Du musst ihr mehr Zeit lassen«, erklärte sein Vater Hæricr Harekson und reichte ihm den Galknerhandschuh.
    »Noch mehr? Ich hatte schon gedacht, sie …«, setzte Kyrrispörr an, während er die Reste des Blitzpulvers aus seiner linken Hand wischte.
    »Du hättest sie am Anfang gleich ängstlicher machen müssen. Rede deutlicher, das habe ich dir schon unzählige Male gesagt! Die Schicksalsgöttinnen, die Nornen, werden uns noch zürnen, wenn du sie weiter so schwach anrufst! Und sei sparsamer mit dem Bärlapp. Ein kleinerer Blitz hätte genügt! Bring Laggar weg.«
    Kyrrispörr fügte sich widerwillig. Er hatte Astrid die Zukunft gedeutet, mindestens so gut, wie sein Vater es getan hätte!, ärgerte er sich. Hatte Hæricr denn nicht gespürt, wie schnell die Nornen ihn beraten hatten? Hatte er denn nicht gesehen, wie die Astrid sich vor Aufregung verzehrt hatte? Hatte er nicht erkannt, wie gelassen und überlegen er sie die ganze Zeit über behandelt hatte? Und hatte er nicht gehört, wie Kyrrispörr die Skalden bemüht hatte, als er den Mann der Astrid als ›Zahnfärber des Wolfes‹ bezeichnet hatte? Außerdem hätte er Astrid beim besten Willen nicht länger hinhalten können.
    »Er weiß immer alles besser«, zischte Kyrrispörr, als er mit dem Vogel durch den angeschmolzenen Schnee zu dem anderen Langhaus stapfte, in dem er und Hæricr untergebracht waren. »Und ich habe die Nornen überhaupt nicht enttäuscht.«
    Der Falke drehte ihm den Schnabel zu und stieß sein durchdringendes ›Ki-ki-ki‹ aus.
    »Und du sei still«, brummte Kyrrispörr. »Es reicht schon, wenn einer immer nörgelt. Los, hüpf schon auf deine Stange. Jetzt sei nicht so ungeduldig, ich komm gleich mit deinem Fressen.«
    Missmutig zog er seine einfachen Sachen an. Hauptsache, er war die Seherkleidung los: Der Kittel war zwar aus feinstem Stoff gefertigt, mit reich verzierten Borten ausgestattet und sah wohl sehr beeindruckend aus, aber ebenso wie diese unsäglichen Beinlinge juckte und kratzte er auf der Haut. Er befestigte Tasche und Messer am Gürtel und bereitete eine Schale mit rohem Fleisch für den Falken vor.
    »Überfüttere ihn nicht wieder!«, hörte er die Stimme seines Vaters hinter sich. »Vorgestern kam er kaum vom Boden weg, so fett war er!«
    Ist ja gut, dachte Kyrrispörr. Vorgestern hatte Laggar auch eine Belohnung verdient. Als wenn er nicht selber wusste, wie viel ein Falke zu fressen bekommen musste!
    Dir macht keiner Vorschriften, dachte er, während er dem Falken Fleischbrocken in den Schnabel steckte. Du musst nur fliegen und jagen. Dir kann das alles gleich sein. Wie ich dich beneide …
    Er schob das Messer in die Scheide zurück und stellte sich vor, es wäre ein Schwert. Ein Schwert trugen nur die wichtigen Männer, deren Worte man ernst nahm. Nicht aber die, die junge Hühner wie die Astrid mit Runen erschreckten.
    Kurz heiterte ihn der Gedanke auf, dass heute Abend das große Fest stattfand, das König Olafr Tryggvason für alle Seimenn ausrichtete. Und er würde dabei sein. Schließlich bin auch ich ein Seimar, dachte er trotzig. Aber wahrscheinlich würde sein Vater ihm die ganze Freude wieder nehmen. Seine Miene verdüsterte sich, als er daran dachte, wie er ihn das letzte Mal vorgeführt hatte. Wenn Hæricr sich wieder über seinen ach so ungeschickten Sohn lustig machte, würde das ja ein besonders tolles Fest werden …
     
    Sie saßen alle an der langen Tafel des Königs, und ihr Gastgeber, der mächtige König Olafr Tryggvason von Norwegen, saß am Kopfende und ließ ein von Silberzier umsponnenes Horn kreisen, jedes Mal mit einem neuen
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