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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
Autoren: Katja Kraus
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Vorwort
    Ich mochte dieses Leben. Ich mochte es, morgens in mein Büro zu kommen. Jeden Tag aufs Neue die bei einem Fußballbundesligaclub üblichen, aufgewühlten Nachwirkungen des vergangenen Wochenendes zu spüren. Oder die ultimative Anspannung vor dem allwöchentlich »wichtigsten Spiel« am bevorstehenden. Und den nahtlosen Übergang vom einen ins andere. Ich mochte meine Aufgabe, Management, den rasanten Rhythmus. Ich mochte Entscheidungen treffen, Verantwortung tragen und gestalten.
    Nun mag ich ein anderes Leben. Eines, das mich fordert und manchmal straucheln lässt. Das mir mehr Zeit gibt, aber weniger Sicherheit. Ich habe Macht verloren und Selbstbestimmung gewonnen. Positionsgebundene Autorität aufgegeben und eine neue Form der Anerkennung gefunden. Die Liste meines ganz persönlichen Tauschhandels ließe sich unendlich fortführen und verändert sich mit jedem Tag. Unter dem Strich steht kein Reingewinn, kein unanfechtbares Ergebnis, wie am Ende eines Fußballspiels.
    Ich habe mit dem Einschnitt die Chance gehabt, die Leidenschaft für das Schreiben, für den Blick auf Menschen in mir zu wecken. Aufzurütteln vielmehr, weil ich sie brauchte, als Freundin in der widrigsten Phase der Veränderung. Und als Antrieb in den Momenten, als ungekannte Unsicherheiten mich manchmal beinahe hätten verzagen lassen.

    In den vergangenen Jahren hatte ich in verschiedenen Managementfunktionen die Gelegenheit, viele Frauen und Männer mit exponierten Lebensläufen, einflussreichen Positionen und bedeutungsvollem Auftreten zu beobachten und auch kennenzulernen. Menschen, die politisch gestalten, Unternehmen zu Erfolgen führen, Meinung machen oder mit besonderen Fähigkeiten, Gedanken oder Werken unser Leben beeinflussen und bereichern. Oft habe ich mich gefragt, was diese Menschen antreibt. Wann die Entscheidung fällt, den Weg, gleich in welchem Umfeld, bis ganz an die Spitze zu gehen. An welcher Stelle der Weg selbst zum Antrieb wird.
    Wann entsteht die Bereitschaft, die eigene Fähigkeit, das Selbstverständliche, die innere Leidenschaft, die Überzeugung für eine Sache der öffentlichen Bewertung auszusetzen? Oder ist die Resonanz auf das eigene Tun, Beachtung und Bestätigung von außen vielmehr die Droge, die zunehmend ihre Wirkung entfaltet? Ab wann und wofür sind Menschen bereit, unaushaltbaren Druck auszuhalten, feststehende Werte zu modellieren, unvermeidliche Persönlichkeitsveränderungen zu akzeptieren? Gibt es diesen Moment der Entscheidung überhaupt, oder entwickelt sich in jedem Prozess eine Dynamik, die eine ganz eigene Kraft entfaltet? Was vermag diese Kraft zu beeinflussen? Wann schubst der Zufall den Erfolg in eine Lebensbahn? Welche Voraussetzung eint all diejenigen, die nach Macht und Bedeutung streben? Sind sie alle Anstifter, Klassensprecher und Zaunrüttler gewesen? Wann prägen sich Siegermentalität, Führungsverhalten, Gestaltungswille, Machtanspruch aus?
    Welche Kraft ist es, die eine junge Frau, deren Introvertiertheit sie zum Studium einer verborgenen Wissenschaft bewegte, zur Kanzlerin werden lässt, der öffentlichsten Aufgabe des Landes? Und wie hoch ist der Preis für die Überwindung nach wie vor erkennbarer Persönlichkeitsschranken? Ist es die Macht, die verliehen wird, von uns, die wir gleichermaßen bewundernd wie skeptisch zu denjenigen aufschauen, die Einfluss haben und nehmen, die Konzerne oder Ministerien lenken? Oder ist es der Wunsch zu gestalten, wie diejenigen sagen, die machtvoll Entscheidungen treffen, weil sie dazu imstande sind? Wie ist das Verhältnis zwischen der Gestaltungsfreiheit der machtvollen Rolle und der Enge der steten Beobachtung und Beurteilung? Wann beginnt dieser Aspekt inhaltliche Überzeugungen zu korrumpieren?
    Was motiviert die Schülerin, die den Aufruf der Lehrer so sehr fürchtet, dass jede Schulstunde zur Qual wird, dazu, erste Solistin eines renommierten Ballett-Ensembles zu werden? Allabendlich bereit, sich bis auf den Kern der eigenen Leidenschaft zu entkleiden und ihr Innerstes dem Publikum hinzugeben.
    Veranlasst reiner Machtwille den Konzernchef, der den Privatisierungsauftrag eines Staatsunternehmens nach politischen Vorgaben erfüllte und dennoch am Ende einsam entgleiste, das Geschenk seiner Privatheit aufzugeben und mit beinahe siebzig Jahren einen neuerlichen Sanierungsfall zu übernehmen?
    Wenn es eine innere Kraft gibt, die so stark ist, dass sie nicht nur zu besonderer Leistung und herausragenden Karrieren führt, sondern dabei
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