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Die Macht

Die Macht

Titel: Die Macht
Autoren: Vince Flynn
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Black Hills hinüber. Einen Moment lang zuckte ihr der Gedanke durch den Kopf, wie es wäre, wenn sie die CIA verließe, um mit Tommy irgendwo anders neu anzufangen; wenn sie den ganzen Mist hinter sich ließe und keinen Gedanken mehr daran verschwendete. Sollten sich diese selbstsüchtigen Aasgeier doch ein anderes Opfer suchen. Sie senkte den Blick zu Thomas Stansfields Grab und wusste sogleich, dass sie das niemals tun könnte. Sie schuldete ihm einfach zu viel. Irene wusste, dass er von ihr erwartete, dass sie die CIA aus dem politischen Hickhack heraushielt. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals einen Menschen so sehr bewundert zu haben wie Thomas Stansfield. Der Mann hatte fast sechzig Jahre seines Lebens der Agency geopfert – und sie hatte ihm ihr Wort gegeben, seine Arbeit fortzusetzen. Nein, sie würde auf jeden Fall nach Washington zurückkehren.
    Irene Kennedy seufzte tief und blickte noch einmal auf das Grab hinunter. Sie ließ die Rose in ihrer Hand auf den kleinen Hügel aus schwarzer Erde fallen und wischte sich die letzten Tränen von den Wangen. Bevor sie ging, sagte sie noch ein letztes stilles Lebewohl, verbunden mit der Bitte, dass er sie durch die kommenden schweren Monate geleiten möge.
     

 

1
    Bahamas, Freitagabend
    Williams Island war eine von hunderten kleinen Inseln, aus denen die Bahamas bestanden. Doch im Gegensatz zu anderen Inseln ihrer Art gab es dort einen kleinen Flugplatz, auf dem Executive Jets starten und landen konnten. Diesen Umstand verdankte die Insel einem prominenten Bewohner, der sich am Westende der Insel ein stattliches Domizil errichtet hatte. Es war eine knappe Stunde vor Sonnenuntergang, als man in der Ferne das charakteristische Heulen der Turbinentriebwerke hörte. Wenig später tauchte ein leuchtender Gulfstream-Privatjet vor der orangefarbenen Sonnenscheibe auf. Als sich die Maschine langsam herabsenkte, wirkte sie in der hitzeflimmernden Luft über der Rollbahn fast wie eine Fata Morgana. Nahezu lautlos berührten die Räder des Fahrwerks den Boden und rollten über den Asphalt. Es gab auf dem kleinen Flugplatz keinen Kontrollturm, nur einen Hangar und einen Geräteschuppen. Die Maschine kam vor dem Hangar zum Stillstand, und die Triebwerke verstummten.
    Beim Hangar war ein blitzender neuer Range Rover abgestellt; der Chauffeur, der neben dem Wagen bereitstand, war von Senator Clark geschickt worden – jenem Mann, dem das große Anwesen am anderen Ende der Insel gehörte und der außerdem für die Finanzierung des neuen Flugplatzes gesorgt hatte.
    Die Tür des Flugzeugs ging auf, und ein Mann und eine Frau in typischer Business-Kleidung kamen he–raus. Sie waren beide Anfang dreißig und hatten schwarze Laptop-Taschen umgehängt. Kaum hatten sie den Asphalt der Rollbahn unter den Füßen, holten sie auch schon ihre Handys hervor, um irgendwelche wichtigen Telefongespräche zu führen. Einige Augenblicke später erschien noch jemand in der Tür des Flugzeugs – ein Mann, der ganz und gar nicht wie ein Geschäftsmann gekleidet war.
    Mark Ellis stand kurz in der Tür und überblickte die Szene durch seine schwarze Sonnenbrille. Er hatte einen sorgfältig gestutzten braunen Bart, der die Aknenarben aus seiner Jugend verbarg. Ellis war von Kopf bis Fuß im teuren Tommy-Bahama-Freizeitlook gekleidet; braunseidene Hose, seidenes T-Shirt und blauer Blazer – ein Outfit, das zusammen mit den Schuhen an die tausend Dollar kostete.
    Mark Ellis war Milliardär. Auf dem Höhepunkt der Dot-Com-Euphorie hatte das Magazin Fortune sein Vermögen auf einundzwanzig Milliarden Dollar geschätzt. Nach dem jüngsten Crash an der Börse hatte sich sein Vermögen in etwa halbiert, was ihn immer noch ziemlich ärgerte. Dieser Vermögensverlust war auch der Grund für seinen Besuch auf der kleinen Insel. Ellis war eine ganz große Nummer im Silicon Valley – doch im Gegensatz zu vielen seiner Nachbarn stellte er nichts her. Er entwickelte weder Hardware noch Software oder irgendwelche brandneuen Technologien. Nein, Mark Ellis war im Grunde ein professioneller Spieler. Seine Spielwiese war das Risikokapitalgeschäft. Er setzte sein Geld auf irgendwelche Firmen, vorzugsweise junge aufstrebende Unternehmen, die noch kaum jemand kannte. Ellis war Ende vierzig und mischte seit seinem achtundzwanzigsten Lebensjahr im Venture-Capital-Geschäft mit. Er war überaus selbstbewusst und ehrgeizig, arbeitete oft bis in die Nacht hinein und erwartete von allen in seiner Umgebung das Gleiche
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