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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts
Autoren: Catherine Fisher
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Schmutzfink!« Mit dem Finger wischte sie das Milchbächlein von Annas Kinn. »Igitt«, sagte Mick. »So warst du auch mal.« »Nie.« Er häufte sich Tomaten auf den Teller. »Wie war der Vormittag? Hast du Trinkgeld bekommen?« »Einen Fünfer von einem pensionierten Obersttyp. Ein paar Pfund von alten Damen.«
    Sie kicherte. »Die alten Damen sind bestimmt entzückt von dir. Aber dein Vater muss dir auch was zahlen, lass ihn das nicht vergessen.«
    Er runzelte die Stirn und aß, damit er nicht antworten musste. Er bekam kein Geld. Für die Führungen erhielt er seinen Flötenunterricht. Das wusste sie nicht- sie hätte sich über seinen Vater geärgert, aber er war zu verstockt, um ihr das zu sagen.
    Das Baby gurgelte und spuckte. Sandy klopfte ihm auf den Rücken. »Und was machst du heute Nachmittag?« »Ich helfe beim Jahrmarkt.«
    Sie lachte. »Klar! Ich freue mich auf diesen berühmten Jahrmarkt. Wahrscheinlich kennst du alle Musiker, wenn sie jedes Jahr kommen – sie müssen inzwischen alte Freunde sein.«
    Er nickte und schluckte. »Ein paar davon. Die Frobishers sind hier, alle irischen Bands, Tarn Jones der Dudelsackpfeifer und die Tänzer von Llangollen und, na ja, jede Menge andere. Fiedler, Jongleure, Geschichtenerzähler, Moriskentänzer. Es wird dir gefallen. Der Jahrmarkt dauert vierzehn Tage und wird seit Jahrhunderten alljährlich hier veranstaltet. Zur Feier der Ernte.«
    »Gibt es da nicht auch eine sonderbare alte Zeremonie?« »Das Ritual. Das ist in der Lammasnacht, der Nacht des Erntefests.« Er schaute auf. »Warst du letztes Jahr nicht dabei?«
    »Dein Vater hatte mich noch nicht heimgeführt«, sagte Sandy mit gespielter Prüderie.
    Mick schüttelte den Kopf und goss sich Orangensaft ein. Es war so schnell gegangen. Vor einem Jahr hatte er sie noch nie gesehen und jetzt war sie seine Stiefmutter und er hatte eine Schwester, aber wenn Anna zehn war, würde er sechsundzwanzig sein. Sie waren so weit auseinander. Verschiedene Familien. Tatsächlich war er, was das Alter anging, Sandy näher als Anna. Das machte ihn fast verlegen. Jemand ging durch den Korridor, die alten Dielen knarrten und dann kam sein Vater herein mit einem Aktenordner, den er auf einen Stuhl legte. Zerstreut küsste er Sandy, nahm das Baby, schwang es hoch und redete in der Babysprache mit ihm, als es gurgelte.
    »Sie wird spucken!«, warnte Sandy und stand auf. Mick schnitt sich ein Stück Kuchen.
    Sein Vater schaute ihn an. »Hattest du viel zu tun?«, fragte er angespannt.
    »Es ging.« Mick aß den Kuchen, ohne etwas zu schmecken. Eigentlich wollte er mehr sagen, aber er ließ es sein. Der Streit von gestern Abend hing noch in der Luft wie ein gezupfter Ton, ein falscher Ton, der die Atmosphäre störte. Sein Vater legte Anna zurück in ihren Wagen. »Was für ein Morgen! Die Tanzbühne ist schief, eine Schlammgrube blockiert den Wohnwagenplatz, wo die unterirdische Wasserleitung gebrochen ist, und ein Besucher ist ein paar Stufen zum Rosengarten hinuntergefallen.« Sandy kicherte.
    »Ich habe gewusst, dass du das komisch findest.« Wenn ich gelacht hätte, dachte Mick, wäre er an die Decke gegangen. Er stand auf. »Ich gehe hinunter zum Feld.« Sein Vater schlug die Zeitung auf. »So eine Überraschung.« Sandy schaute ihn verärgert an, doch Mick kümmerte sich nicht darum. Mit einem Achselzucken in ihre Richtung ging er hinaus.
    Auf dem Jahrmarktfeld war viel Betrieb. Vom Parkplatz zog sich eine Reihe tiefblauer Fahnen bis zum Feld, jede war mit einer goldenen Kornähre bemalt. An der Hecke hämmerte der alte Tom Metallpflöcke für das Kassenhäuschen in die Erde. Er schaute auf. »Katie ist hier.« »Wo?«
    »Drunten am anderen Ende. In der nächsten Reihe. Suchst du einen Job?«
    Grinsend wich Mick zurück. »Noch nicht.« Zwischen den Handwerkerzelten mit den grell gestreiften blauen, roten und goldenen Planen schlenderte er weiter, begrüßte alte Bekannte und nickte neuen zu. Der üppige vertraute Geruch von zerstampftem Gras und anderem, das nach Sommer duftete, umfing ihn: Kerzenrauch, Thymian, Weihrauchstäbchen, Duftöl, Bratwürste, das süße sirupartige Doughnut-aroma von einer Bude. Hämmern und Klopfen mischte sich ins Vogelgezwitscher. Auf beiden Bühnen war es jetzt still, doch unten auf dem Campingplatz spielte jemand auf irischen Pfeifen, und während er zuhörte, stimmte eine schottisch-irische Trommel ein und Mick lächelte, weil der tiefe schnelle Schlag ihm so vertraut war. In den
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