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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts
Autoren: Catherine Fisher
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Die goldene Pracht des Saals war immer eine Überraschung, sogar für ihn; alles war golden, goldene Simse und Girlanden und Zierleisten, der große prunkvolle Kamin, goldumrahmte Paneele mit Bildern von Göttern und Satyrn.
    »Wenn Sie hochschauen«, sagte er und grinste, als alle Köpfe gleichzeitig zurückgelegt wurden, »sehen Sie die berühmte Decke. Sie wurde 1688 von einem unbekannten Künstler gemalt und zeigt den Sonnengott Apollo, Schutzherr der Musik und der Dichtkunst, umgeben von den neun Musen auf dem Parnass.«
    Mit gereckten Hälsen starrten die Besucher auf das süßliche Gemälde mit seinen Wolken und Frauen in fließenden Gewändern und verführerischen Posen, und gerade da kam die Sonne heraus. Sofort fing der goldene Saal Feuer. An der Decke räkelte sich Apollo in strahlendem Glanz und zupfte an seiner Harfe. Er schien auf Mick herunterzuschauen und zu lächeln. Musik rieselte durch den Saal. Einen Moment lang glaubte Mick, die gemalten Finger hätten sich bewegt, doch dann sah er durchs Fenster ein Pferd und einen Wagen die Allee herauffahren. Das farbenfrohe Vehikel war mit Zigeunermotiven bemalt, Martin Frobisher kutschierte und sein Sohn neben ihm hatte die Fiedel am Kinn und stimmte jetzt einen fröhlichen Reel an.
    Die Besucher hatten die Decke vergessen und gafften. »Zigeuner?«, fragte eine Frau verblüfft. »Musiker, die zum Folkfestival kommen. Zum großen Lammasjahrmarkt.« Mick ging hinüber und öffnete den Fensterflügel. »Martin!«
    Er winkte und der große Mann winkte zurück. »Wie geht's, Junge?«
    »Gut. Gut. Bis später.«
    Der Wagen schaukelte und holperte über den Kies. Mick sah die Kochtöpfe, die an den Haken darunter klapperten. Dann wandte er sich wieder der Gruppe zu, die bereits zur Tür drängte. »Und wenn Sie mir jetzt bitte folgen, gehen wir ins Erdgeschoss.«
    Als die Führung vorbei war, ließ er die Gruppe im Souvenirladen zurück zwischen den süß duftenden Seifen und Marmeladen und Geschirrtüchern, auf die Stokesey Hall gedruckt war. Mary an der Kasse beugte sich vor. »Dein Dad sagt, du sollst zum Mittagessen kommen.« »Wie wäre es mit einem Eis für einen hart arbeitenden Führer?«
    Sie schüttelte spöttisch den Kopf. »Na schön. Aber sag es nicht weiter.«
    Mick nahm ein Eis aus der Gefriertruhe und knackte im Hinausgehen den dünnen kalten Schokoladeüberzug. Der Tag war schon heiß, der Himmel blau und wolkenlos. Die Sonne brannte ihm auf den Nacken, während er zwischen den dichten Hecken des Eibenwegs in den Zederngarten schlenderte, wo die Besucher zwischen Lupinen- und Phloxbeeten beim Picknick saßen. Wespen flitzten in die Mauerritzen. Ein kleiner Junge hatte einen Wutanfall unter dem Bogengang zum Labyrinth, doch seine Eltern waren in die Landkarte vertieft und beachteten ihn nicht. Mick aß langsam sein Eis, leckte den Holzstiel ab und warf ihn in einen Abfallbehälter. Die Sonne tat gut nach der Kühle in den großen Räumen; es war, als würde sie direkt in ihn hineindringen und ihn mit ihren Strahlen neu beleben. Er knöpfte den Kragen auf und lockerte die Krawatte. Die Führungen waren für ihn ein Kinderspiel – er kannte seinen Text auswendig -, aber er hasste es, dass er sich dazu anziehen musste wie in der Schule.
    Und dann fiel ihm mit einem Mal die Frau im Sommerhaus ein. Den ganzen Morgen hatte er sich dagegen gewehrt, an sie zu denken, sich zu fragen, ob sie überhaupt wirklich gewesen war. Doch das Glockenspiel dieses Zweigs hatte er nicht verdrängt. Bestimmt hatte es die ganze Nacht durch seine Träume geklungen, ein einzelner reiner Akkord, gerade noch zu hören. Fast glaubte er jetzt das Echo aufzufangen hinter der Brise und den Wespen und den Stimmen der Leute und dem Geknatter von der Hauptbühne, wo sie das Lautsprechersystem ausprobierten. Wer war die Frau? Und was meinte sie damit, dass er sie gerufen habe? Plötzlich rannte er durch den Lavendelweg und ein kleines Seitentor mit der Aufschrift PRIVAT. Im Haus lief er die drei Absätze der Dienstbotentreppe hinauf, durch den Korridor und in sein Zimmer mit dem einzigen riesigen runden Fenster. Er zog Hemd und Krawatte aus und durchwühlte die Schublade nach seinem schmuddeligsten T-Shirt, dem rot-violetten. Er zog Jeans an und ging dann durch die Küche ihrer Wohnung, wo Sandy saß und dem Baby ein Fläschchen gab. Sie lächelte ihm zu. »Im Herd. Schaffst du es?« Vorsichtig holte er die heiße Schüssel mit einem Tuch heraus.
    »Nimm dir Salat dazu. Oh, du
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