Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest
Autoren: Carla Buckley
Vom Netzwerk:
meisten verändert. Mom hatte die Dielen rausgerissen, eine Fußbodenheizung eingebaut und Terrakottafliesen verlegt. Die alten Möbel waren durch eine Ledergarnitur mit filigranen schmiedeeisernen Gestellen ersetzt worden, die ein Freund aus der Künstlerkolonie gebaut hatte, in der sie jetzt verkehrte. An den Fenstern hingen bunte handgewebte Schals. Im Wohnzimmer brannte ein Feuer im Kamin, obwohl es ein warmer Oktoberabend war. Und es gab weitere, weniger sichtbare Veränderungen – den riesigen Generator in der Garage, die Solaranlage auf dem Dach.
    Auf dem Küchentisch standen Schüsseln mit Essen. Ein bunter Blattsalat, rote und gelbe Äpfel, Weintrauben. Und auf der Theke stand noch mehr. Eine Käseplatte, eine Schüssel mit Avocadocreme, eine reife Ananas. Ich wusste, ohne nachzusehen, dass die Speisekammer bis oben hin mit Schachteln und Büchsen vollgestopft war. Der Kühlschrank war mit frischen Sachen gefüllt, und in der Gefriertruhe lagerten Fleisch und Gemüse.
    Mein Schwager war dabei, etwas aus dem Ofen zu holen.Einen von Mutters alten verbeulten Töpfen mit geschwärztem Boden. Maddie und ich hatten ihr vor ein paar Jahren zu Weihnachten einen neuen Satz gekauft, aber wir hatten ihn noch nie in Gebrauch gesehen.
    «Ich staune immer, dass das alte Ding nicht auseinanderfällt.» Alan schloss die Ofentür mit dem Knie. Er kam um die Insel in der Mitte der Küche und umarmte mich. Sein Hemd war knallrot, und dazu trug er eine gelbe Krawatte.
    Laut und fröhlich wie immer. Und hatte er tatsächlich abgenommen? Maddie versuchte immer, ihn zu mehr Fitness zu animieren. «Riecht köstlich, Alan.»
    Er schüttelte Frank kräftig die Hand. «Das ist ein neues Rezept. Ihr müsst mir unbedingt sagen, wie es euch schmeckt.»
    Onkel Mike nahm ein Glas in die Hand. «Ich werde euch beiden was zu trinken holen.» Er stützte sich mit einer Hand an der Küchentheke ab. Vermutlich hatte er sich schon den einen oder anderen Schluck genehmigt.
    Mom hatte mir erzählt, dass er früher nicht getrunken hatte. Ich hoffte vor allem, dass er noch nüchtern war, als er Jacob abgeholt hatte.
    «Lieber erst später», sagte ich, und Frank nickte.
    Maddie war mit ihren Kindern bei der Schaukel. Sie winkte, und ich winkte zurück. Mom saß auf der Terrasse, mit dem Blick dahin, wo früher die Birke gestanden hatte, die vor einigen Jahren vom Blitz getroffen worden war. Ich war eines Nachmittags hinzugekommen, als sie dabei war, ein Loch für einen Schössling zu graben, dessen Wurzeln noch in einem Jutesack steckten. Erst mit Hilfe von Dr.   Singh von gegenüber schafften wir es, den neuen Baum zu setzen.
    Mom erhob sich, als wir hinaustraten. Ihre Umarmung war herzlich wie immer. Und sie roch vertraut – nach Rosen und sonnenwarmer Baumwolle.
    Ich drückte sie einen Augenblick länger als nötig. Hinter uns knarrte die Gartenpforte.
    «Katie!»
    Als ich mich umdrehte, stand mein kleiner Bruder da, groß, braungebrannt und   … ohne Bart. «Du hast dir das Ding abrasiert.»
    Er rieb sich traurig das Kinn. «Ja, die Frauen sind nicht so drauf geflogen, wie ich dachte.» Er kippte die Eiswürfel in die Kühlbox am Tisch und umschlang mich mit seinen langen Armen. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um die Umarmung zu erwidern.
    Natürlich hatte er William nicht ersetzen können. Er war nicht William. Zum einen war er blond, und seine Augen waren braun. Er hatte Grübchen, für die Maddie und ich alles gegeben hätten, und einen Hang zum Unfug, durch den er öfter mal aneckte, aber zum Glück war er so charmant, dass es ihm immer gelang, sich wieder rauszuboxen. Wir kannten ihn beinahe sein ganzes Leben lang, und er liebte unsere Mom genauso wie wir. Wenn ihn das nicht zum Mitglied der Familie machte, was dann?
    «Ehe ich’s vergesse», sagte er. «Im Laden hab ich Connie Nguyen getroffen. Sie sagt, ich soll euch grüßen.»
    Mom lächelte. «Sie ist ein nettes Mädchen.»
    Jake verdrehte die Augen. «Ja, ja.»
    Mom versuchte ständig, eine Freundin für ihn zu finden.
    «Wie ich höre, warst du dieses Semester artig», frotzelte ich.
    Sein Grinsen wurde breiter. «Wenn du das sagst.»
    Ich stöhnte und knuffte ihn schwesterlich. «Wenn Mom doch wieder einen Anruf vom Dekan kriegt   …»
    Lachend schüttelte er Frank die Hand. «Schön, dich zu sehen.»
    «Ebenso.» Frank lächelte. «Was macht denn das Filmseminar?»
    «Mann, du müsstest mal die Kulisse sehen, die wir gebaut haben.» Er nahm sich einen Stuhl, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher