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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador
Autoren: Julia Drosten
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rosig. „Natürlich freue ich mich! Was glaubt ihr nur!“
    Wieder ging die Tür auf, und Sibylla trat
ein. Sie trug ihr schönstes Kleid aus saphirblauer Seide und einen Schal mit
Fransen, die in allen Farben des Himmels schimmerten, und wirkte genauso
aufgeregt wie ihre Tochter. „Guten Morgen, meine Kleine!“ Sie gab Emily einen
Kuss. „Du hast bestimmt gehört, dass die bin Ibrahim-Frauen da sind. Nadira
versorgt sie gerade mit Tee, aber sie werden dich gleich holen. Du solltest dir
also schleunigst etwas anziehen, wenn du nicht im Nachthemd durch Mogador
getragen werden willst!“
     
    André stand inzwischen – unterstützt von
seinen drei Söhnen und von John, Thomas und Oscar – im großen Salon und empfing
die Männer. Sabri strahlte über das ganze Gesicht und umarmte jeden einzeln,
während sein Vater ihn mit stolzgeschwellter Brust beobachtete. Die Onkel und
Cousins beaufsichtigten derweil die Träger, die Emilys Morgengabe auspackten
und auf Tischen in der Raummitte zur Schau stellten.
    Als die Tür aufschwang und Sibylla mit
Eugenie und Victoria eintrat, schlug Andrés Herz schneller. Er fand, dass
Sibylla mit ihrem silbrigen Haar und ihren funkelnden blauen Augen die
beeindruckendste Persönlichkeit im Raum und für ihn ohnehin die schönste aller
Frauen war. Er freute sich unbändig, als sie ihm ein langes warmes Lächeln
schenkte, bevor sie die anderen begrüßte: „As-salamu alaikum, meine Herren!
Darf ich Ihnen eine kleine Erfrischung anbieten?“
    Sie gab Firyal, die neben einem an der Wand
aufgebauten Büffet gewartet hatte, einen Wink, und die Dienerin begann, Tee
einzugießen. Ein kleiner Araberjunge, der sonst in der Küche half, bot
Fladenbrot, frischen Joghurt, Datteln und Pflaumen an.
    Eugenie und Victoria begutachteten inzwischen
Emilys Mahr. Ihre Augen wurden groß, als sie den wertvollen Goldschmuck in die
Hand nahmen, an Flakons mit kostbarem Parfüm schnupperten, bunte Kleiderstoffe
betasteten, seidene Teppiche, Porzellan und silberne Leuchter betrachteten. Hadj
Abdul hatte sich nicht lumpen lassen, denn er kam nach arabischer Sitte nicht
nur für die Mahr auf, sondern auch für die Kosten des Festes. André und Sibylla
durften sich nicht daran beteiligen, denn das hätte die Tugend der Braut in
Frage gestellt. Ihr Hochzeitsgeschenk bestand in einem eigenen Zuhause für
Emily und Sabri. Konsul Willshire und seine Frau kehrten nämlich in ein paar
Wochen nach England zurück, und André hatte seine guten Verbindungen zu Sultan
Sidi Mohammed genutzt, um das Haus der Willshires zu kaufen.
    Das Ganze war aber noch eine Überraschung,
von der weder Sabri noch Emily etwas ahnten.
    Nachdem die Gäste gegessen und getrunken und
André Hadj Abdul überschwenglich für seine Großzügigkeit gedankt hatte, gingen
Sabri und André zum Kadi, um den Ehevertrag zu unterzeichnen. Sibylla begab
sich zum Festzelt am Strand, um dort die letzten Vorbereitungen zu überwachen.
     
    Das Zelt bot zweihundert Gästen Platz.
Türkisblau wie der Atlantik, mit wehenden Wimpeln und Bändern und einer hohen
runden Kuppel glich es einem orientalischen Märchenpalast. Auf dem Boden lagen
dicke Teppiche, längs der Wände luden weiche Sofas, Kissen und runde lederne
Polster zum Sitzen ein. Auf niedrigen Tischen standen Kohlebecken, aus denen es
nach Weihrauch und Amber, Zimt und Nelken duftete.
    Nach und nach trafen die Gäste ein, lauschten
der Kapelle, plauderten oder kosteten aus einer überwältigenden Fülle von
Köstlichkeiten.
    Vor dem Zelt brieten an Spießen drei mit
Honig und Gewürzen bestrichene Hammel und ein großer Schwertfisch, und für die,
denen ihr Glaube es nicht verbot, gab es neben Orangenblütenwasser, Mandelmilch
und Tee auch Wein und Champagner, den André vom französischen Konsul gekauft
hatte. Das andere Zugeständnis an die vielen christlichen und jüdischen Gäste der
Hochzeit bestand darin, dass Männer und Frauen zusammen feierten. Noch war
davon allerdings nicht viel zu merken. Die arabischen Frauen verbargen sich
scheu hinter den Wandschirmen, die in der linken Zelthälfte für sie aufgestellt
worden waren, und die meisten Christinnen und Jüdinnen leisteten ihnen
Gesellschaft, während die Männer in der rechten Zelthälfte den Bräutigam
umschwirrten, ihm auf die Schulter klopften und Witze über die Tücken des
Ehelebens machten.
     
    Sabri hatte sich umgezogen und saß in seinem
prächtigsten Jabador und einem bestickten Tarbusch auf einem der beiden
geschmückten Sessel,
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