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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador
Autoren: Julia Drosten
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Sorbets
standen, und ließ sich ein Glas goldgrünen Tee geben.
    „Bitte schön, Schwester!“ Sie reichte Emily
das Glas. „Aber nicht zu viel, du weißt ja, dass du einen gewissen Ort nicht
aufsuchen kannst, solange das Henna auf deinen Händen noch feucht ist.“
    Sabris unverheiratete Schwestern kicherten,
und Emily seufzte: „Ich bezweifle, dass Sabri auch so viel Unbequemlichkeiten
und Schmerzen ertragen muss, um mich zu heiraten!“
    Sie spielte auf den gestrigen Hamambesuch an.
Die Bademeisterinnen hatten sie von Kopf bis Fuß gereinigt, geschrubbt, von
allen Haaren, außer denen auf ihrem Kopf, befreit und ihr zum Schluss die
Extrabehandlung für jede Braut zuteil werden lassen – ein Bad in Eselsmilch, um
den Bräutigam mit einer besonders zarten Haut zu bezaubern.
    Heute fand die Beberiska, das Hennafest,
statt. Männer waren nicht zugelassen. Sie hatten sich bei Konsul Willshire
versammelt, um mit Sabri, soweit es ihre Religion erlaubte, auf den Bräutigam
anzustoßen, während die weiblichen Hochzeitsgäste – eine bunte Mischung aus
Araberinnen, europäischen und jüdischen Kaufmannsfrauen sowie Emilys
Halbschwester Malika – auf Sibyllas Dachterrasse feierten. Emily freute sich
besonders über die Anwesenheit ihrer englischen Verwandtschaft. Oscar hatte die
Geschicke der Reederei in die Hände seines Sohnes Edward gelegt und war mit
seiner Frau Eugenie und der halbwüchsigen Tochter Arabella zur ersten Reise
seines Lebens aufgebrochen. Alle drei genossen das Abenteuer in vollen Zügen
und schmiedeten bereits Pläne für eine ausgedehnte Tour durch Marokko.
    Seit dem Vormittag saßen die Frauen zusammen
und vertrieben der Braut die lange Zeit, die sie bewegungslos auf einem Polster
ausharren musste, während die Hennaya die uralten Glücks- und Zaubersymbole auf
ihre Hände und Füße auftrug. Über Tee und köstlichen Speisen, Musik, Tanz und
Gesang war es Abend geworden, der Himmel über Mogador färbte sich tiefblau, und
die Sterne funkelten in der immer noch warmen Luft der ersten Junitage. Während
Nadira und Firyal Fackeln anzündeten, tönten Stimmen, Lachen und eine Vielzahl
von Instrumenten durcheinander, begleitet von der heiser singenden
Greisinnenstimme von Sabris Großmutter.
    Die Hennaya hatte inzwischen aus den
geriebenen Blättern des Hennastrauches, schwarzem Tee und Tamarindensaft eine
frische, Paradieserde genannte Paste angerührt und in eine Papiertülle gefüllt.
Sie war eine alte Araberin, eine Witwe, die in einer bescheidenen Hütte an der
Stadtmauer lebte und ihren Lebensunterhalt nicht nur als Hennamalerin
verdiente, sondern auch als Kupplerin, indem sie Ehen zwischen den
heiratsfähigen Kindern der wohlhabenden arabischen Familien Mogadors anbahnte.
Während Malika eine Lampe hielt, damit die Meisterin genug Licht für ihre
Arbeit hatte, badete die Hennaya Emilys Füße in einer Schale mit
Orangenblütenwasser.
    „Die Bademeisterinnen im Hamam waren fleißig.
Deine Haut ist glatt wie Seide, mein Täubchen“, lobte die Hennaya zufrieden.
    „Du solltest erst einmal ihren Liebeshügel
sehen!“, rief die erste Frau von Hadj Abdul anzüglich aus. „Zart und duftend
wie eine Rosenblüte. Aber gequiekt hat sie, als die Dienerin die Zuckerpaste
abgerissen hat, wie ein Welpe, dem die Zitze weggenommen wird!“
    „Ihr hättet mich erst in Lissabon sehen
müssen, dort gibt es nämlich keine Hamams“, konterte Emily lachend.
    „Mein armer Sohn!“, rief Almaz übertrieben
kummervoll aus. „Hat er deine Spalte unter dem dornigen Gestrüpp überhaupt
gefunden?“
    Es gehörte zum Berberiska-Fest, dass die
verheirateten Frauen die Braut mit derben Scherzen in die Geheimnisse der Liebe
„einweihten“. Dass Emily diese Geheimnisse bereits kannte, tat dem Spaß keinen
Abbruch – ganz im Gegenteil: Die Frauen genossen es, sie mit anzüglichen
Bemerkungen aufzuziehen.
    Als das Gelächter langsam verstummte, sagte
die Hennaya: „Wenn du gestattest, mein Täubchen, werde ich die magischen
Zeichen für Glück, Liebe und Wohlstand auf deine Füße malen und sie mit dem
Namen deines Liebsten verweben.“
    „Male ihr lieber die Zeichen für Begehren und
Fruchtbarkeit“, mischte Sabris älteste Schwester sich ein. „Monatelang haben
sie schon das Lager geteilt, und sie hat keinen dicken Bauch bekommen!“
    „Wie auch, da ich seit unserer Rückkehr von
meinem Ehemann getrennt bin?“, gab Emily keck zurück. „Zum Glück hat der
Astrologe den Hochzeitstermin im Frühsommer
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