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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador
Autoren: Julia Drosten
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errechnet. Länger könnten wir
gewiss nicht auf die Freuden der Liebe verzichten.“
    Ihre Schlagfertigkeit erntete anerkennendes
Gelächter und lenkte die Frauen zu Emilys Erleichterung von ihrer
Kinderlosigkeit ab. Dafür gab es nämlich einen ganz einfachen Grund: kleine mit
Zitronensaft getränkte Schwämmchen, die sie vor der Liebe in ihre Vagina schob.
Malika hatte ihr dieses Geheimnis verraten, als Emily auf Qasr el Bahia gelebt
hatte.
    „Erzähl uns von deiner ersten Nacht!“, bat
Sabris jüngste noch unverheiratete Schwester mit einem verstohlenen Blick auf
ihre Mutter. Doch Hadj Abduls erste Frau war in eine Unterhaltung mit Sibylla,
Eugenie und Almaz vertieft und schenkte ihr keine Aufmerksamkeit.
    Ein verträumtes Lächeln spielte um Emilys
Lippen. „Es war sehr romantisch. Alle Passagiere freuten sich mit uns und
gratulierten uns. Die Matrosen haben ein Ständchen gesungen, und der Kapitän
hat uns für die erste Nacht seine Kajüte überlassen. Mehr werde ich dir aber
nicht verraten.“
    Sabris jüngste Schwester sah sie tief
enttäuscht an.
    „Wenn du deine eigene Hochzeit feierst, wirst
du mich verstehen“, tröstete Emily. „Die Erinnerung an unsere erste Nacht
gehört meinem Mann und mir. Ich kann dir nur so viel verraten: Sie hat unsere
Liebe inniger besiegelt, als jedes eheliche Versprechen das könnte.“
    „Und jetzt müsst ihr Turteltäubchen schon
einen Monat enthaltsam leben, oje, oje! Nun müsst ihr umso mehr aufpassen, dass
ihr morgen Nacht nicht in eurem Feuer verglüht“, scherzte die älteste
Schwester.
    Almaz ergänzte würdevoll: „Möge das Feuer
eurer Liebe stets stärker sein als der Holzscheit, der zu Asche verglüht, und
mögest du, Emily, das Wasser für meinen Sohn sein, ohne das er verdursten
müsste.“
    Sibylla lächelte verstohlen. Noch vor einem
Monat wäre Almaz ein solcher Wunsch nicht über die Lippen gekommen, aber seit
Benjamin versucht hatte, Emily zu töten, hatte Sabris Familie alle Vorbehalte
gegenüber der christlichen Braut und der Hochzeit vergessen. Almaz und die
erste Frau von Sabris Vater nannten Emily sogar ihre geliebte Tochter. Hadj
Abdul wiederum hatte sich sehr beeindruckt von Andrés entschlossener Tatkraft
gezeigt. Immer wieder ließ er sich von Sabri schildern, wie André Benjamin
gepackt und durch das Geländer der Empore geschleudert hatte. Dabei nickte er
mit dem Kopf und verkündete feierlich: „Die Tochter eines solchen Mannes wird
starke und gesunde Söhne gebären. Es war eine weise Entscheidung, mein Sohn,
diese Frau zu wählen!“
     
    Früh am Morgen des 10. Dhu l-Hiddscha im
Jahre 1278 nach dem Auszug des Propheten von Mekka, dem 8. Juni 1862 nach
abendländischer Zeitrechnung, lockten Musik und Gesang die Bewohner der Medina
vor ihre Türen. Eine Schar Frauen, von dünnen Musselinschleiern umweht wie vom
silbrigen Morgennebel, tanzte durch die Gassen zu Sibyllas Haus, um, wie es von
alters her Brauch war, die Braut zu holen und für das große Fest ihrer Hochzeit
zu schmücken.
    Musikanten spielten auf Flöten und Vihuelas,
schlugen Tambourine und zupften die Laute. Junge Mädchen sangen davon, dass die
Braut süßer als Honig und schöner als der Vollmond wäre, und Kinder streuten
Rosenblätter und Jasminblüten auf den Weg. Vier kräftige Eunuchen in
Pluderhosen und bunten Turbanen trugen eine leere Sänfte auf ihren Schultern.
Hinter ihnen schritten feierlich der Bräutigam und sein Vater, beide in einer
weißen Djellaba, den Gürtel mit dem edelsteinbesetzten Schmuckdolch an der
Hüfte, auf dem Kopf den roten Tarbusch mit der schwarzen Quaste. Dann folgten Diener,
die in Körben und Kisten die Morgengabe für die Braut trugen, Sabris Onkel,
seine Schwager und Cousins.
    Victoria, die vom Flachdach aus das Nahen des
Festzuges beobachtet hatte, rannte zu Emilys Schlafzimmer und riss die Tür auf.
„Sie kommen! Beeilt euch!“
    „Konntest du Sabri erkennen? Wie sieht er
aus?“, rief Emily von der Bettkante. Sie konnte nicht aufstehen, denn Malika
wickelte gerade die Mullbinden von ihren Händen und Füßen, die während der
Nacht die Hennamalereien vor dem Verwischen geschützt hatten.
    „Wunderbar!“, versicherte Victoria aufgeregt.
„Alle Leute schauen ihn an.“
    Unten wurde laut an die Tür gepocht, Stimmen
riefen: „Lasst uns herein, wir wollen die Braut holen!“
    „Freust du dich?“, fragte Malika, und
Victoria wollte gleichzeitig wissen: „Hast du Angst?“
    Emilys Augen glänzten, und ihre Wangen
leuchteten
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