Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador
Autoren: Julia Drosten
Vom Netzwerk:
der Schwertfisch vom Feuer genommen und zerteilt. Sabris
Schwestern amüsierten sich über Eugenies und Victorias ungeschickte Versuche,
ihr Essen mit Hilfe eines Stückchens Fladenbrot zum Mund zu führen statt mit
einer Gabel, und Hadj Abdul hielt eine lange Rede über die Tugenden einer
Ehefrau, die scherzhaft klang, aber ernst gemeint war. Danach erhob sich André
und verkündete, dass die Braut nun nach christlichem Brauch ihre Mitgift
bekommen würde.
    Er bedachte Sibylla, die auf einem Sofa neben
ihm saß, mit einem langen innigen Blick und verkündete: „Wir, Emilys Eltern,
haben beschlossen, euch ein Zuhause zu schenken.“
    Er machte eine Kunstpause, um sich an den
entgeisterten Gesichtern von Emily und Sabri zu weiden, bevor er fortfuhr:
„Habt ihr wirklich geglaubt, wir lassen euch ohne die geringste Unterstützung
ins Leben gehen?“
    „Ihr bekommt das Haus von Konsul Willshire,
und es gehört euch wirklich. Sultan Sidi Mohammed hat es uns verkauft“,
ergänzte Sibylla und lächelte Sara zu, die fast so gerührt aussah wie das
Brautpaar. „Wenn ihr von eurer Hochzeitsreise nach London zurückkehrt, ist
alles fertig, und ihr könnt einziehen.“
    „Bei Allah, das ist ein großes Geschenk!“,
murmelte Sabri ergriffen.
    „Ihr hättet uns kein Schöneres machen
können!“ Emily kämpfte mit den Tränen. Sie hatte befürchtet, auf unbestimmte
Zeit in Hadj Abduls Haus wohnen zu müssen, wo sie sich nicht nur der Herrschaft
von Sabris Großmutter, sondern auch der seiner Mutter und der ersten Frau ihres
Schwiegervaters hätte unterwerfen müssen. Jetzt bekam sie ihr eigenes Haus, in
dem sie schalten und walten konnte, wie sie wollte!
    Hadj Abduls Miene war unergründlich. Ich
hätte Sabri damals nicht erlauben dürfen, ins Land der Engländer zu reisen,
dachte er traurig. Seit damals nimmt er immer mehr Sitten der Ausländer an.
Seine christliche Braut wird ihm eine gute Frau sein, aber ob sie seine Söhne
fernab vom Elternhaus zum wahren Glauben erziehen wird?
    Er zuckte zusammen, als plötzlich Almaz neben
ihm stand. Er sah sie unter dem dünnen Musselinschleier lächeln, der ihr
Gesicht bedeckte. „Ein eigenes Haus, wie wundervoll!“, freute sie sich. „Ob
Emily es europäisch einrichten wird? Ich werde ihr natürlich mit Rat und Tat
zur Seite stehen…“
    „Dein Platz ist in meinem Haus!“, unterbrach
er sie harscher als beabsichtigt.
    Almaz war entrüstet. „Willst du mir das Herz
brechen? Willst du einer Mutter verwehren, ihren Sohn zu besuchen?“
    Mit finsterer Miene wandte er sich ab und
hielt nach seiner anderen Ehefrau Ausschau. Als rechtgläubig Geborene wusste
wenigstens sie noch, was sich nach den Gesetzen Allahs gehört, dachte er und
erstarrte im selben Moment. Da stand seine erste Ehefrau neben der Engliziya,
scherte sich nicht im Geringsten darum, dass sie den Blicken sämtlicher Männer
ausgesetzt war, und reichte dem Brautpaar lachend ein Glas Tee, in dem ein
großer Zuckerblock schwamm!
    „Trinkt!“, rief sie so laut, dass es im
ganzen Zelt zu hören war. „Trinkt, auf dass euer Mund nur süße Worte
füreinander findet!“
     
    Gnawa-Musikanten zogen unter dem
ohrenbetäubenden Klappern von Qarqabas und Fasstrommeln ins Zelt und wurden
begeistert begrüßt. Es handelte sich um eine Gruppe freigelassener Sklaven, die
in Erdhöhlen vor den Toren der Stadt hausten und die Leute bei Festen und
Prozessionen mit Tanz und Gesang erfreuten. Die Kinder umkreisten sie wie ein
aufgeregter Bienenschwarm, stopften Silbermünzen in die Taschen ihrer mit
Kaurimuscheln bestickten Gewänder und schrien „Yalla, yalla! Schneller
schneller!“, wenn die Männer sich rhythmisch im Kreis drehten.
    Nach den Gnawa-Musikern trat eine Gruppe
Marrakchi auf, fahrendes Volk, das die Leute als Feuerspucker und
Schwertschlucker unterhielt. Sie wurden von Berberfrauen begleitet, die mit
schlangengleicher Gewandtheit tanzten. Malika sprang auf und gesellte sich zu
ihnen. Die Silbermünzen, die sie in ihr Haar geflochten hatte, klingelten, ihr
bunt bestickter Rock flog um ihre Beine, und sie zog bewundernde Blicke von den
Männern und schockierte von den Frauen auf sich.
    Emily tanzte nicht, obwohl sie große Lust
verspürte, aber ihr Kleid war zu schwer. Sie hatte sich auf ein rundes ledernes
Polster neben den Stuhl von Sabris Großmutter gesetzt und half ihr, Quittenmus und
Lammhack mit kleinen Stückchen Fladenbrot zu löffeln.
    „Mein Enkel hatte recht, dich zu nehmen“,
sagte die Alte und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher