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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador
Autoren: Julia Drosten
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tätschelte mit zittrigen Fingern Emilys Wange.
     
    Sabri hielt sich bei Oscar, André, John und
Thomas im hinteren Bereich des Zeltes auf. Oscar hatte dem schweren
französischen Wein bereits reichlich zugesprochen und erzählte ausschweifend,
wie er mit sechzehn Jahren als letzter Schlagmann das legendäre Match Eton
gegen Harrow für Eton gewonnen hatte.
    „Cricket ist ein Sport, den ihr im Orient auch
spielen solltet“, fand er und schlug Sabri auf die Schulter. „Da lernt ein Mann
Teamgeist, Fair Play und im richtigen Moment seine Chance zu nutzen. Genau das,
was ein guter Geschäftsmann braucht!“
    „Schön und gut, Onkel Oscar, aber Sabri ist
Arzt“, mischte Thomas sich ein. „Hat er dir schon erzählt, dass wir in den leer
stehenden Räumen des Maristan einen Operationssaal nach europäischem Vorbild
einrichten wollen?“
    „Und hat Onkel Oscar euch schon erzählt, dass
wir beide eine Reise nach Tanger unternehmen werden?“, rief John dazwischen.
    Thomas hielt einem Diener seinen
Champagnerkelch hin, damit er ihn neu füllte. „Dann ist es dir also ernst? Du
willst Mogador verlassen?“
    Sein Bruder zuckte gleichmütig mit den
Schultern. „Kaufleute müssen dort sein, wo sie gute Geschäfte machen können,
und das wird hier immer schwieriger. Der Handel verschiebt sich in den Norden
Marokkos, wo sich die Verbindungswege zwischen Europa und Afrika, Atlantik und
Pazifik kreuzen.“
    Oscar nickte bekräftigend. „Wir werden in
Tanger alle Möglichkeiten prüfen, dort eine Handelsniederlassung zu gründen.“
    „Zum Beispiel, ob der Hafen für Dampfschiffe
aus Stahl geeignet ist“, ergänzte John mit funkelnden Augen.
    Seit sein Schwiegervater zugesichert hatte,
den Bau des ersten Dampfschiffes der Reederei Spencer mit Stahl aus seinen
Werken zu unterstützen, kannte John kein anderes Thema mehr.
    Aber Thomas zweifelte: „Weiß Mutter von
deinen Plänen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie einverstanden ist.“
    „Unsere Mutter ist eine kluge Frau“, erwiderte
John nachdrücklich. „Sie weiß sehr gut, dass die Europäer den Sultan drängen,
sein Land noch mehr dem internationalen Handel zu öffnen. Natürlich geschieht
das zuerst in den Städten des Nordens, wo der Einfluss der europäischen
Großmächte am stärksten ist.“
    „So stehen wir also alle vor neuen
Herausforderungen“, stellte Sabri fest und blickte zu André, der sich an dem
Gespräch bisher nicht beteiligt hatte. „Wie sehen deine Pläne aus, Ab?“ Seit
seiner Rückkehr aus Lissabon redete er André mit dem arabischen Wort für Vater
an.
    „Ich werde Frédéric und Christian mehr
Pflichten auf dem Gut übertragen und sie auf die Zeit vorbereiten, wenn sie Qasr
el Bahia einmal allein führen. André junior möchte ich in Mogador zur Schule
schicken. Er ist nämlich ein richtig kluger Kopf. Und darüber hinaus…“ Er brach
ab. Seit dem Überfall auf das Gut und dem Tod Aynurs hatte er keine Pläne mehr
geschmiedet, sondern von Tag zu Tag gelebt, erledigt, was erledigt werden
musste, und es vermieden, an die Zukunft zu denken. Es war, als hätte er seinen
Platz im Leben verloren und noch keinen neuen gefunden.
    Sein Blick fiel auf Sibylla, die in einem
Kreis Frauen stand und der Vorstellung der Marrakchi zusah. Sie lachte und
klatschte und wirkte fröhlich und lebendig. Er dachte daran, wie schön es
gewesen war, vor der Hochzeit ein paar Tage und Nächte als Gast unter ihrem
Dach zu verbringen. Die ganze Zeit war er sich ihrer Nähe bewusst gewesen, auch
wenn sie sich in einem anderen Zimmer befunden hatte. Er unterdrückte ein
Seufzen, als ihm klar wurde, wie sehr er sie vermissen würde, wenn er wieder
nach Qasr el Bahia zurückritt.
    In diesem Moment drehte sie sich um und sah
ihn an, ein kleines Lächeln in den Mundwinkeln, und plötzlich wusste er, was er
sich für die Zukunft wünschte.
     
    Als die Sonne unterging, schlichen sich Emily
und Sabri unbemerkt davon. Während im Zelt das Fest mit Musik, Tanz und Gesang
in vollem Gange war, standen sie nebeneinander am Strand und schauten zu, wie
der orangegoldene Sonnenball vor dem rosa leuchtenden Himmel im Meer versank.
Schließlich schimmerte nur noch ein letzter Streifen Licht auf dem schwarzen
Wasser.
    Emily hatte die Schuhe ausgezogen und drückte
ihre Fußsohlen in den angenehm feuchten Sand. Der Wind roch nach Salz, aus dem
Festzelt drangen Fetzen von Gelächter und Musik und mischten sich mit dem
ewigen gleichmäßigen Rauschen des Atlantiks.
    Sabri legte
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