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Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi
Autoren: Heinz G. Konsalik
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12-Zylinder-Jaguar, der Motoryacht im Hafen von San Remo und dem Liebeshaus bei Rottach, in das sie eingezogen war, ohne zu wissen, daß sie die Nummer 37 war. Bis Heroldt ein Regiefehler unterlief: die Nummer 38 wartete bereits im Haus auf ihn, als Irene Walther zum Wochenende vorfuhr.
    Da hatte sie begriffen, was es heißt: Eine Welt bricht zusammen. Die Trümmer hatten sie begraben.
    Drei Jahre ihres Lebens waren damit sinnlos geworden und mußten gestrichen werden. Zwar beteuerte Hanns Heroldt, daß alles nur ein Irrtum sei, und baute, wie immer, einen Wall von Lügen auf, aber nun endlich erkannte sie doch, daß sie mit ihrer Gutgläubigkeit schon immer betrogen worden war.
    Allein bleiben, hatte sie gedacht. Von jetzt ab nur allein bleiben. Man kann gut leben ohne feste Bindung. Da ist der Beruf, der, nimmt man ihn ernst genug, zu einer fast erotischen Erfüllung werden kann, da sind die kleinen Freuden am Rand, die nicht belasten, da ist vor allem die absolute Freiheit, stets das tun zu können, was einem Freude bereitet. Die Welt steht offen, und wenn ein Mann kommt und dumm daherredet, dann kann man stolz antworten: »Sie sind ein Mann – und damit für mich die überflüssigste Sache der Welt!«
    Darauf hatte sie sich fixiert, als sie nach Sotschi geflogen war, und viermal hatte sie in ähnlicher Form die Annäherung von Männern abgeschmettert, bis sich im Hotel herumgesprochen hatte, daß sie eine dumme Zicke sei. Eine bornierte Ärztin mit Akademikerfimmel. Und es war selbstverständlich, daß sie im Speisesaal allein an einem kleinen runden Tisch an der Wand saß, wie umgeben von einer Glaswand. Das wollte sie und das gefiel ihr.
    Doch nun gab es plötzlich diesen Boris Alexandrowitsch Bubrow.
    Sieben Tage können verfliegen wie sieben Atemzüge. Die Stunden gleiten ineinander, verschwimmen zur Zeitlosigkeit, wenn man glücklich ist.
    Bubrow erschien am nächsten Tag im Hotel ›Shemtschushina‹. Er humpelte kaum noch. Auch der eindrucksvolle dicke Verband war einer den Knöchel stützenden Gummimanschette gewichen. Den Stock benutzte er noch, aber er schwenkte ihn übermütig, als Irene aus dem Lift kam. Heute trug er weiße Leinenhosen, ein blau-weiß gestreiftes Hemd und auf dem Kopf eine Art Kapitänsmütze. Man wollte ja eine Bootsfahrt machen.
    »Das Schiff liegt bereit!« rief er und hakte sich bei Irene unter. »Es heißt ›Mjetsch‹. Das Schwert! Und wie mit einem Schwert werden wir nun das Schwarze Meer zerteilen! Außerdem habe ich eine Überraschung an Bord.«
    »Einen Eiskübel mit Krimsekt.« Irene lächelte spöttisch. »Wie erschreckend sich doch alle Männer in gewissen Situationen gleichen!«
    »Irina, Sie beleidigen mich! Ich habe meine Bajan mitgebracht!«
    »Eine Verwandte?«
    »Ein Musikinstrument. Eine Knopfharmonika. Ich bin ein miserabler Spieler, aber manchmal kann man die Melodie doch erkennen. Und auf See hört mich keiner, da kann ich endlich singen, weil ich so glücklich bin.«
    Und wieder dachte Irene: Es hat doch keinen Sinn! Wehre dich dagegen! Sag ihm eine Grobheit und laß ihn stehen. Du bist noch wund vom letzten Schlag – und willst dir eine neue Wunde zufügen?! Ein Russe! Eine Verrücktheit ist das!
    Am frühen Mittag kreuzten sie mit dem Motorboot vor der Küste von Adler mit seinem imposanten neuen Hotel, dem ›Gorisont‹, und seiner aus großen bunten Mosaiksteinen gestalteten Badebucht. Boris Alexandrowitsch legte seine Bajan zur Seite und sah Irene stumm an. Bis jetzt hatte er gespielt und gesungen, während Irene am Steuerrad saß und das Boot auf Kurs längs der Küste hielt. »Sie sind ein Lügner!« sagte sie und wich seinem Blick aus. »Sie spielen und singen vorzüglich.«
    Bubrow schwieg, kam zu ihr an den Steuerstand, nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und küßte sie. Zuerst machte sie sich steif, aber dann gab sie den Widerstand auf und atmete tief. Ihre Hände krampften sich um das Steuerrad.
    »Jetzt kannst du mich über Bord werfen«, sagte Bubrow, als er ihren Kopf freigab.
    »Ich nehme an, du bist auch ein fabelhafter Schwimmer«, sagte sie und schluckte mehrmals. »Boris, wir sind verrückt!«
    »Warum sollen wir die einzigen Vernünftigen sein?«
    »Noch sechs Tage. Und dann?«
    »Ich hoffe, unsere Erde besteht noch länger als sechs Tage, Irina.«
    »Boris!« Sie stellte den Motor ab, das Boot glitt noch ein paar Meter weiter und dümpelte dann im spiegelglatten Wasser. »Wir sind zwei längst erwachsene und nicht gerade dumme
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