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Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kopf.
    »Du dumme Gans!« sagte sie laut. »Diese sieben Tage gehen auch vorbei. Halt den Kopf hoch; Boris ist auch nur ein Mann!«
    Am Abend saß sie im feudalen Restaurant des ›Magnolia‹, trug ein ausgeschnittenes Cocktailkleid, dazu eine Halskette mit einer griechischen Gemme und wartete auf Bubrow. Sie hatte Herzklopfen wie ein unerfahrenes Mädchen.
    Erstaunlicherweise benahm sich Boris Alexandrowitsch ganz anders, als Irene Walther es erwartet hatte.
    Mit einem dicken Verband, der einem verunglückten Skiläufer gut angestanden hätte, humpelte er in den großen Speisesaal, stützte sich auf einen schwarzen Stock mit Elfenbeinkrücke und sagte zum Kellner, der ihn stützen wollte, mit ernster Miene: »Genosse, kein Mitleid! Ich bin nicht im Kampf verwundet worden, sondern nur von einem Esel gefallen!«
    Er stakste zu Irenes Tisch, küßte ihr die Hand, was auch im sozialistischen Staat kein Aufsehen erregte, und setzte sich. Er trug einen dunkelgrauen Anzug aus englischem Tuch, eine moderne Krawatte von Yves St. Laurent und ein beiges Seidenhemd. Nichts unterschied ihn von einem westlichen Kapitalisten, der auf der Veranda des ›Hotel Paris‹ in Monte Carlo Platz nimmt.
    »Sie hatten recht, Irina«, sagte er und seufzte.
    »Womit?« Ihr Lächeln war ehrlich. Sein Erscheinen, sein Benehmen empfand sie als wohltuend.
    »Mit den Ärzten. Sie wollten mich ans Bett fesseln. Aber ich habe den Wachhabenden bestechen können. Und so bin ich hier.«
    »Ich bin nicht zu bestechen«, sagte sie und lachte. »Was essen wir?«
    »Fangen wir mit einer Fischsuppe aus frisch gefangenen Barben an. Darauf Schaschlik, den können sie hier fabelhaft zubereiten. Dazu Kompott aus Walderdbeeren, Sauerkirschen und Pflaumen. Zum Dessert das berühmte russische Eis. Und was trinken wir? Natürlich nur den wunderbaren kaukasischen Landwein, rot und funkelnd, als sei in jedem Glas ein Stückchen Sonnenstrahl. Einverstanden?«
    »Mit allem.«
    »Das ist ein Wort!«
    »Es bezog sich nur auf die Speisenfolge.«
    Der Abend ging ziemlich still vorüber. Bubrow benahm sich korrekt, erzählte von seinem Elternhaus, vom Vater, der schwerverwundet aus dem Krieg gekommen war, von beiden Schwestern, die sich gute und wohlhabende Männer gesucht hatten, von seiner Mutter, die vor drei Jahren an einem Herzkrampf gestorben war. Und er erzählte von sich selbst, von seiner Arbeit an neuen Staudammprojekten und dem großen Plan, durch Umleitung von Flüssen die schwer zu kultivierenden Trockengebiete von Kasakstan in fruchtbare Gärten zu verwandeln.
    Irene hörte erstaunt und geduldig zu. Sie war fast ein wenig enttäuscht. Nicht der charmante, ihre Weiblichkeit attackierende Bubrow war gekommen, sondern ein kluger, erfolgreicher Ingenieur, der mit berechtigtem Stolz von sich und seinen Plänen erzählte. Es bedurfte durchaus keiner spielerischen Abwehr eines allzu heftigen Flirts, auf die sie sich vorbereitet hatte – sie brauchte ihm nur zuzuhören und seine Tüchtigkeit zu bewundern.
    »Und Sie?« fragte Boris Alexandrowitsch, als er über sich nichts mehr zu erzählen wußte, »wie leben Sie, Irina?«
    »Allein.«
    »Das ist ein Rätsel, das ich nicht begreife. Sie haben als Ärztin doch die Möglichkeit –«
    »Ich praktiziere ja nicht mehr.«
    »Was tun Sie dann?«
    »Ich arbeite in der Forschung.«
    »Für einen Pharmazie-Konzern?«
    »So ähnlich.«
    »Ich verstehe. Sie impfen Kaninchen, Meerschweinchen und Mäuse und beobachten die armen Tiere, wie sie durch ihre Krankheiten oder auch durch die Medikamente eingehen. Ich könnte so etwas nicht. Ich bin ein Tier-Narr, Irina. Ich könnte auch nie Jäger werden. Wie bringen Sie es fertig, mit diesen schönen Händen einem weißen, blauäugigen Kaninchen –«
    »Ich experimentiere nicht mit Tieren!« unterbrach sie ihn barsch, als wolle sie um jeden Preis verhindern, daß er eine ungünstige Meinung über sie bekam. »Ich habe ein Spezialgebiet.«
    »Ach ja?« Bubrow sah sie aus seinen grauen Augen fröhlich an. »Lassen Sie mich raten, Irina! – Krebs! Sie sind in der Krebsforschung!«
    »Nein.«
    »Die Nerven! Multiple Sklerose?«
    »Auch nicht.«
    »Teufel noch mal! Sind Sie Genetiker?«
    »Nein.«
    »Was bleibt denn da noch übrig?« Bubrow klopfte mit dem Stock gegen seinen dicken Beinverband. »Die verdammten kleinen Biester, die Mikroben, Bakterien und Viren. Ist es das? Bakteriologie?«
    »Verwandt.« Irene Walther winkte ab und hob ihr Weinglas. »Ist das so wichtig? Trinken wir
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