Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
packt eine Pistole aus und hält sie hin. Weiter nichts.
    »Sind Sie verrückt?« stotterte der Co-Pilot. Er wollte aufstehen, ebenso der Bordingenieur, aber der Mann schüttelte den Kopf und richtete den Lauf auf den Magen des Piloten.
    »Bitte nicht! Sie ist keine Attrappe, sondern echt. Und sie ist geladen und entsichert.« Er griff in die andere Rocktasche und holte einen schwarzen, eiförmigen Gegenstand hervor, den er auf der Handfläche hin und her rollen ließ. Der Kapitän preßte die Lippen aufeinander und schnaufte. »Ihr kennt das, Genossen!« sagte der Mann ruhig. »Es ist eine Handgranate. Wenn sie hier in 10.000 Meter Höhe explodiert und ein Loch in die Bordwand reißt, ist die Wirkung bei dem unterschiedlichen Außen- und Innendruck so, als sei das ganze Flugzeug eine Bombe. Aber was soll's, das wißt ihr doch besser als ich. Grund genug, vernünftig miteinander zu reden. Und keine Panik! Wozu auch? Wir sind doch gescheite Menschen.«
    »Was wollen Sie?« Die Stimme des Kapitäns war rostig geworden.
    »Gehen Sie vom Kurs Prag ab und fliegen Sie München an.«
    »Nein!« sagte der Kapitän hart.
    »Nun werden Sie doch vernünftig, lieber Bruder. Wie heißen Sie?«
    »Oleg Georgijewitsch Kaschlew.«
    »Und Sie?« Der Mann zeigte mit der Tokarev auf den Co-Piloten.
    »Juri Nikolajewitsch Watlow.«
    »Sicherlich haben Sie Frauen und Kinderchen. Warum sollen sie weinen?«
    »Wir stehen mit dem Tower in Prag in Funkverbindung.« Kaschlew zeigte auf eines der vielen Instrumente. »Der Autopilot ist darauf eingestellt. Wie soll ich eine Kursänderung begründen?«
    »Sagen Sie die Wahrheit, lieber Oleg Georgijewitsch.«
    »Wissen Sie, was dann passiert?«
    »Nichts.« Der Mann lächelte freundlich. »Was will man tun? Die tschechische Luftwaffe? Abfangjäger? Sie können uns nur wie Mücken umkreisen, sonst nichts. Ich stehe hier mit meiner Handgranate und ziehe ab, wenn irgendein Zwang von außen kommt.«
    »Das soll ich durchgeben?«
    »Bitte!« Der Mann zeigte mit dem Pistolenlauf auf die Instrumente. »Aber vorher ändern Sie den Kurs, Oleg Georgijewitsch. Nehmen Sie Verbindung mit München auf und bereiten Sie die Leute darauf vor, daß ich komme.«
    »Haben Sie etwa auch eine Visitenkarte bei sich?« rief der Co-Pilot leicht hysterisch.
    »Juri Nikolajewitsch, werden Sie nicht kindisch! Aber weshalb sollte ich meinen Namen verschweigen? Ich heiße Boris Alexandrowitsch Bubrow. Kein Geheimnis.«
    Kapitän Kaschlew hatte das Mikrofon höher an die Lippen gedrückt und sprach mit dem Tower in Prag. Interessiert hörte Bubrow zu, die Pistole auf Watlow und den Bordingenieur gerichtet. In seiner Linken lag die Handgranate. Kaschlew nickte mehrmals. Dann lehnte er sich mit einem Seufzer zurück.
    »Was sagt Prag?« fragte Bubrow.
    »Auf Kurs bleiben! Sie schicken Jäger.«
    »Der Mensch ist doch ein merkwürdiges Geschöpf.« Bubrow ließ die Handgranate auf seiner Handfläche rollen. »Er ist so klug – und geht doch an seiner Dummheit zugrunde.«
    Co-Pilot Watlow ließ die Maschine eine weite Kurve fliegen. Er wollte damit dem Entführer vorspiegeln, daß er vom Kurs abwich, aber Bubrow lächelte nachsichtig und schüttelte den Kopf.
    »Nicht solche Späßchen, Juri Nikolajewitsch! Die Zeit ist knapp. Man sollte Prag sagen, daß es nach guter sozialistischer Tradition auch jetzt einen Stufenplan gibt. Stufe eins: Wenn kein Kurs auf München genommen wird, erschieße ich zuerst den Genossen Ingenieur. Stufe zwei: Sie, mein lieber, sympathischer Juri Nikolajewitsch, müssen für Ihre Dummheit bezahlen. Stufe drei: Oleg Georgijewitsch, auch Sie wären nicht mehr zu retten.«
    »Und wer soll die Maschine dann fliegen?« fragte Kaschlew heiser.
    »Niemand.«
    »Wir haben 179 Menschen an Bord!«
    »Ich weiß.«
    »Und auch Sie werden nicht überleben!«
    »Dieses Risiko habe ich einkalkuliert. Es erschreckt mich nicht mehr.« Bubrow sah den bleichen Bordingenieur an. Er saß wie gelähmt auf seinem Sitz vor den leuchtenden, tickenden Instrumenten. »Also bitte, Genossen«, fuhr Bubrow fort, »weshalb nutzlos einen Helden spielen? Es bleibt doch alles, wie es ist: die Iljuschin explodiert keineswegs, sofern Sie tun, was ich Ihnen gesagt habe, die Besatzung wird leben, 179 Passagiere werden leben, das Ganze kostet lediglich ein paar Stunden Verspätung, und ein Mensch namens Bubrow geht in München von Bord. Um das zu verhindern, soll alles geopfert werden?« Bubrow winkte mit der Tokarev. »Kurs München. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher