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Die Himmelsbraut

Die Himmelsbraut

Titel: Die Himmelsbraut
Autoren: Astrid Fritz
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    Teil 1 Abschiede
    1 Gutshof der Ritter von Holderstein, am Tage vor Ostern des Jahres 1520
    L ena?»
    Antonia ließ das Messer sinken, mit dem sie den Berg von Wurzelgemüse in feine Scheiben schnitt. Seit zwei Tagen hockte sie nun schon fast ununterbrochen in dieser muffigen Küche, während draußen der Frühling Einzug hielt, und bereitete zusammen mit der alten Köchin, ihren beiden Schwestern und dem Küchenmädchen das Osterfestessen vor.
    «Lena?», wiederholte sie. «Was ist mit dir?»
    Im nächsten Augenblick stieß ihre Schwester einen seltsamen Laut aus und kippte rücklings von der Bank. Reglos lag sie auf dem Boden, die Arme ausgestreckt wie der Herr Jesus am Kreuz. Ihr alabasterfarbenes Gesicht schimmerte noch heller als sonst auf den dunkelroten Tonfliesen.
    Mit einem Satz war Antonia bei ihr. Magdalenas Körper fühlte sich eiskalt an.
    «Sie ist tot! Herr im Himmel, sie ist tot!»
    «Unsinn.» Grit, die Köchin, beugte ihre alten Knochen zu dem reglosen Mädchen hinunter, mit nachdrücklichem Ächzen, und klopfte ihm mit der flachen Hand gegen die Wangen.
    «Lena, komm zu dir. Nun mach schon.»
    Endlich öffnete Magdalena die Augen und begann zu lächeln. «Ich hab den Herrn gesehen», murmelte sie, dann fielen ihr die Augen wieder zu.
    «Wir bringen sie nach draußen, an die frische Luft», entschied Grit. «Los, helft mir.»
    Zu viert schleppten sie Magdalena aus der Küche hinaus in den Hof. Dort setzten sie sie behutsam auf die sonnenbeschienene Holzbank. Kraftlos sank Magdalenas Oberkörper zur Seite. Als sie endlich wieder bei sich war, begann sie zu weinen.
    Die Köchin verzog missbilligend die Mundwinkel.
    «Das musste ja so kommen. Wie kann sie es nur so übertreiben mit dem Fasten? Zum Glück hat das jetzt mit Ostern ein End’.»
    «Ich hol den Vater», sagte Antonia.
    «Tu das. Er soll ihr nur ordentlich den Kopf zurechtsetzen.»
    Antonia rannte über den Hof und musste an sich halten, nicht im Laufschritt durch das Stalltor zu stürmen. Dort, im Halbdunkel, umstanden die Männer die junge Fuchsstute, die heute zum ersten Mal fohlen sollte. Noch war es nicht so weit, wie Antonia fachkundig erkannte. Schweißnass glänzte das Fell der Stute, über ihre Flanken glitt unablässig ein Zittern. Junker Kilian von Holderstein strich ihr beruhigend über die Nüstern, während Antonias Vater ihr die Schweifrübe in die Höhe hielt und in ihrer Spalte tastete. Neben ihm erkannte Antonia zu ihrer Freude Phillip, Kilians jüngeren Bruder. Jetzt hob er die Hand zum Gruß und lachte sie an.
    «Vater, Ihr müsst kommen», stieß sie hervor, ohne Phillips Gruß zu erwidern. «Lena – sie ist umgefallen!»
    «Übernimm du», wies Albrecht von Oberthann den Altknecht an und folgte Antonia hinüber zum Herrenhaus. Magdalena war mittlerweile wieder bei klarem Bewusstsein. Die Tränen liefen ihr noch immer über das Gesicht, während die Köchin versuchte, ihr einen Becher mit Gemüsebrühe einzuflößen.
    Antonias Vater nahm ihr den Becher aus der Hand.
    «Sie muss was Anständiges essen, Fasten hin oder her. Schlag ihr drei Eier mit Rotwein auf, danach kochst du einen Milchbrei.»
    Grit nickte und verschwand im Haus.
    «Und ihr beiden», wandte er sich an Antonia und deren älteste Schwester Katharina, «ihr solltet besser auf Magdalena achtgeben. Nicht dass sie heute wieder die ganze Osternacht durchwacht.»
     
    «Mit Lena wird es immer schlimmer», sagte Antonia. Sie saß mit Phillip in dem aufgelassenen Steinbruch, der die erste Wärme der Frühlingssonne auf sie abstrahlte. Von hier, ihrem Lieblingsplatz, hatten sie einen freien Blick auf das Gestüt zu ihren Füßen und hinüber zu Burg Holderstein, die auf der anderen Seite des Tals über dem Dörfchen Unterthann und den benachbarten Weinbergen thronte. Inzwischen standen die Apfel- und Kirschbäume in voller Blüte, die Wiesen leuchteten in solch frischem Grün und Löwenzahngelb, als hätte ein Maler sie über Nacht mit neuer Farbe bestrichen. An klaren Tagen wie heute konnte man ungehindert über die Obstwiesen und Weingärten der Vorberge bis hinunter in die Rheinebene sehen, ja sogar bis zu den blauen Schatten der Vogesen. Anmutig und licht war die Landschaft hier, bevor sie, schon gleich hinter Holderstein, in den dunklen, unwirtlichen Bergwald überging.
    «Seit Fastnacht hat sie nur noch Brot und Wasser zu sich genommen», fuhr Antonia fort. «Hat nicht mal an den Sonntagen richtig essen wollen. Und nachts hat sie
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