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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich
Autoren: Horst Biernath
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Steffen nichts dagegen hat, daß ich das Motorboot benutze und auch noch mein Boot ins Schlepptau nehmen lasse, dann fahre ich zur Insel zurück. Aber Sie dürfen Michael nichts zuleide tun, falls Sie ihm noch einmal begegnen sollten, Herr Keyser, ich bitte Sie herzlich darum! Sooo bös und widerwärtig, daß man ihm gleich den Hals abdrehen müßte, ist er nämlich gar nicht. Sie hatten nur das Pech, daß Sie drei in einem Augenblick zu uns auf die Insel kamen, als wir — Michael und ich — eine knappe halbe Stunde vorher gerade eine kleine Meinungsverschiedenheit gehabt hatten. Der Anlaß dazu war eine Kleinigkeit. Aber da wir im nächsten Monat heiraten wollen, wurde eine Kraftprobe daraus. Wer dabei gesiegt hat, weiß ich noch nicht. Aber das wird sich in den nächsten Stunden entscheiden.«
    Sie schüttelte der erstarrten kleinen Gesellschaft, Marion zuerst, nacheinander die Hände, während Herr Beutelmoser und der Chauffeur die zusammengelegten Boote Thomas Steffens und der beiden Keysers zum Wagen schafften.
    »Also nochmals: Glückliche Reise und alles Gute für die Zukunft!« Sie ließ es sich nicht nehmen, die verwirrte Gesellschaft zum Wagen zu begleiten, und nahm, da es höchste Zeit war, das Klubhaus zu verlassen, ein paar hingestotterte Abschiedsgrüße lächelnd entgegen. Und sie winkte den dreien noch nach, als das Auto schon längst hinter einer Staubwolke unsichtbar war. Dann ging sie zum Ufer zurück, setzte sich auf die Treppe vor dem Anlegefloß und wartete auf das Erscheinen des Motorbootes.

    Und dort vielleicht, wo eine weiße Wolke einsam über den blauen Himmel segelte, lag schmal und lang wie ein großes Flachboot die Ferieninsel im breiten Strom. Und hätte man an jede Seite zwölf Ruderer gesetzt, so hätte man, durch die weiß schäumende Brechung des Russes an ihrer Spitze verführt, sich einbilden können, daß sich die Insel auch fortbewege wie ein Boot, der Quelle des Stromes entgegen.
    Ja, und das war die Weide, die dort halb aus dem Wasser aufwuchs, wo sich die beiden Arme der Donau wieder zusammenfanden. Es war die alte Weide mit den vernarbten Wunden der Eisgänge, die alljährlich zur Zeit der Schneeschmelze in ihren knorrigen Stamm hineinsägten und sie doch nicht fällen konnten. Ja, es war der alte Baum, der, als zarter Zweig vor vielen Jahren hier angeschwemmt, Wurzel geschlagen und in zäher Ausdauer Stürme, Blitze, Hochwasser und herankrachende Eisschollen überdauert und besiegt hatte.
    Ja, es war die Insel. So ein lustiges Inselchen noch vor ein paar Tagen — und jetzt stumm wie ein Gespensterhaus, dessen Bewohner bis auf einen Vergessenen in überstürzter Hast geflüchtet waren. Ach, es war öde wie ein abgebranntes oder geplündertes Haus, in dessen Ruinen man herumsteigt und hier eine verlorene Haarklammer findet, dort einen Konservenschlüssel und ein paar leere Dosen von Wiener Würstchen und Ochsenmaulsalat. In den Fluß damit!
    Ach, verflucht, und diese Einsamkeit! Nur Wasser und Ried, so weit der Bück reicht, gelbes Wasser und grünes Buschwerk.
    Als ob man ganz allein sei auf der Welt. Das duckt einen förmlich. Wie eine Ameise kriecht man herum, hierhin und dorthin, und wird immer kleiner vor sich selbst, wo alle Maßstäbe fehlen, um festzustellen, zu welcher Art man denn eigentlich gehört. Eine Weile lang redet man mit sich selbst. Aber die Antworten sind so wenig überraschend.
    Also mach schon den Mund zu! Mach den Mund zu und pfeif dir eins! Ja, Mensch, Michael Prack, Einsiedlerkrebs ohne Seerose, spitz die Lippen und pfeif dir was Schönes vor: Wenn ich ein Vöglein war’... Zu albern, denn wenn ich ein Vöglein war’, dann wäre ich in zwei bis drei Stunden daheim, und als Mauersegler mit hundertzwanzig Stundendurchschnitt noch schneller, jawoll! Aber ich käme mir ziemlich komisch vor mit zwei Flügelchen.
    Also los, Mann, sing dir eins! Irgendwie muß man sich ja die Zeit vertreiben. Aber wie lange wirst du singen müssen, bis es dem verdammten Kerl, diesem Steffen, einfällt, dir deine Klamotten und dein Boot und Geld zu schicken? Also zunächst fährt er einmal in deinem Anzug heim. Dann macht er ein Paket zurecht. Bringt es morgen im Laufe des Tages zur Post. Hat sich vielleicht mit irgendeinem Bootsbesitzer geeinigt, daß er es dir zustellt. Wenn es ein Eilpaket ist, kommt es etwa übermorgen in Ingolstadt an. Und der Kerl, der es empfängt, denkt sich: hat auch Zeit bis morgen. Und dann vergißt er den Auftrag womöglich und denkt am
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