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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich
Autoren: Horst Biernath
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ihnen nicht als Hilfskraft beim Zerlegen des Bootes anzubieten. In ziemlich regelmäßigen Abständen fühlte sie Marions Blick über sich hinweggleiten, rasch wie der Lichtstrahl eines Leuchtfeuers, das auf seinem kreisenden Weg ein fremdes Schiff für Sekundenbruchteile abstreicht. Und diese versteckt forschenden Blicke Marions verrieten ihr nicht nur, daß Michael bis zum letzten Augenblick über ihr Verhältnis zueinander geschwiegen hatte, sondern auch J eine gewisse Neugier Marions. Zum mindesten verrieten sie ihr, daß sich Marion über die Flucht von heute nacht einige Gedanken gemacht hatte. Es lag natürlich keine Spur von Eifersucht in ihrem Geschau. Es war mehr so der Blick, mit dem man die Tätigkeit eines Trödlers verfolgt, den man bestellt hat, damit er einem den angesammelten Speicherkram wegräume, und der dabei Dinge in seinen Sack wandern läßt, die man selber leichten Herzens verbrannt hätte, die aber plötzlich in der fremden Hand einen Wert bekommen, einen Wert, den sie vorher nicht besaßen und der es fraglich erscheinen läßt, daß man sich tatsächlich von ihnen trennen möchte.
    »Einen Augenblick, Herr Steffen!« rief Barbara hinunter. »Ist es Ihnen recht, wenn ich Ihnen ein Taxi bestelle? Ich habe nämlich gerade ein Telefongespräch zu erledigen.«
    Marion hatte auf solch einen Moment gewartet, daß die beiden miteinander sprächen, um daraus gewisse Schlüsse zu ziehen. Nun, offiziell sagten sie weder du zueinander noch nannten sie sich beim Vornamen. Aber das wollte nicht viel besagen und konnte Tarnung sein.
    »Sehr nett von Ihnen, Fräulein Holls-tein, daß Sie daran denken«, antwortete Herr Steffen höflich. »Wenn Sie so liebenswürdig sein wollen, dann bes-tellen Sie den Wagen, bitte, pünktlich auf halb vier. Oder warten Sie einen Augenblick!« Er wandte sich an Marion: »Wir können zwischen zwei Zügen wählen, dem Vier-Uhr-Zug und einem anderen, der etwa drei S-tunden s-päter geht. Falls Sie also noch Lust vers-püren sollten, sich ein wenig in der S-tadt umzusehen...«
    Marions Blick wanderte mit einem Ausdruck, als verwirre sich wieder ein Rätsel, dessen Auflösung sie schon entdeckt zu haben glaubte, zwischen Steffen und Barbara hin und her und blieb schließlich zwischen beiden im Leeren hängen.
    »Ich überlasse Ihnen die Entscheidung«, antwortete sie in eine unbestimmte Richtung.
    »Dann also bleibt es beim Vier-Uhr-Zug«, entschied Thomas Steffen und bat Barbara, einen großen Wagen anzufordern, damit das ganze Gepäck — zwei Boote immerhin — untergebracht werden könne.
    Barbara entfernte sich, und Marion schaute ihr nach.
    »Sie ist sehr sympathisch und angenehm«, sagte sie und versuchte dabei, die letzte Strebleiste in den prall gefüllten Schilfleinensack zu schieben, »und ich möchte diese Bekanntschaft gern fortsetzen.« Sie vermied es, Thomas Steffen anzusehen, als sie fortfuhr: »Nun, das wird sich ja ganz von selbst ergeben.«
    »Oh, gewiß«, antwortete er, ohne sich beim Zusammenfalten der schweren Bootshaut zu unterbrechen, »sie ist ein sehr sympathisches Mädchen. Aber ich halte es für fraglich, ob Sie Gelegenheit haben werden, Fräulein Holls-tein näher kennenzulernen. Wie das so mit Urlaubsbekanntschaften geht — sie überdauern selten den Sommer. Man lernt sich leicht kennen und verliert sich ebenso leicht wieder aus den Augen. Und das ist wohl auch am besten so. Man zieht ja meistens mit dem Badetrikot auch den Urlaubsmenschen aus und schlüpft sozusagen in seine alte Haut zurück. Und dann wäre man voneinander wohl nur enttäuscht, dort unten...« Seine Hand deutete nach Westen, in die Richtung der großen Stadt, woher sie alle kamen und wohin sie auch wieder gingen.
    Marion sah ihn mit einem merkwürdigen Blick von der Seite an.
    »Sie haben wohl nicht wenig ges-taunt«, fuhr er vergnügt fort, »als Sie unsere Nester heute früh leer entdeckten, wie?«
    »Allerdings«, murmelte Marion, »so kann man es auch nennen. Am meisten staunte jener Mensch...« Sie brachte nicht einmal mehr seinen Namen über die Lippen.
    »Das kann ich mir lebhaft vors-tellen«, grinste Thomas Steffen; »aber die Gelegenheit war so günstig. Fräulein Holls-tein wollte die Insel auf jeden Fall verlassen, und ich nahm die günstige Gelegenheit wahr, mich ihr anzuschließen. Ich wußte natürlich nicht, daß ich das Boot mit meinen Sachen und denen Ihres Vaters hier finden würde. Auf jeden Fall wollte ich im Laufe des Nachmittags mit einem Motorboot zur
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