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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich
Autoren: Horst Biernath
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dem Trägheitsgesetz mit beschleunigter Geschwindigkeit um ihre Achse drehen. Aber bei mir sind leider so viele Bremswirkungen vorhanden, daß ich schon jetzt, ein paar S-tunden nach Ihrem gutgemeinten Attentat, wieder in der Ruhelage s-tecke. Aber etwas habe ich aus unserem Abenteuer doch gelernt, nämlich, daß man mutiger sein muß, als ich es bisher gewesen bin. Ach, das sind solch einfache Dinge, und es ist schandbar, wie s-pät man sie begreift. — Und vielleicht habe ich durch unseren S-treich noch etwas erreicht: daß Fräulein Marion darauf aufmerksam geworden ist, daß ich überhaupt vorhanden bin. Denn diese Tatsache ist ihr wohl bis dahin noch nicht recht gegenwärtig gewesen.«
    Er drehte seinen Kelch in den Händen und rührte den blanken Spiegel des goldgrünen Weines auf.
    »Das ist durchaus möglich«, sagte Barbara, »aber was wollen Sie jetzt unternehmen?«
    »Nichts, Fräulein Holls-tein. Ich werde mich in den Zug setzen,
    nach Hause fahren und abwarten. Ich glaube nämlich nicht, daß Herr Prack immer auf solch hohen Touren läuft wie in den letzten Tagen, als er von Fräulein Keyser dazu heraus gefordert wurde, sich als das zu zeigen, was sie gern an ihm sehen wollte: den Super-Mann. Ich werde in Ruhe abwarten, bis er sich überdreht und bis die junge Dame sich sozusagen am persischen Erdöl und am Fliegerbenzin übernimmt. Und ich möchte fast annehmen, daß das gar nicht allzu lange dauern wird.«
    »Ich hoffe von ganzem Herzen, daß Sie recht haben«, sagte Barbara inbrünstiger, als man es von einem unbeteiligten Zuhörer eigentlich erwarten konnte.
    Die Schatten der Bäume verlängerten sich, die Sonne erreichte den Tisch, und Barbara und Thomas Steffen mußten mit ihren Stühlen dem Schatten der Kastanie nachwandern. Sie ließen den Tisch stehen und stellten ihre Stühle nebeneinander näher ans Flußufer.
    »Und Sie selber, Fräulein Holls-tein?« fragte Steffen nach einer kleinen Weile. »Wollen Sie Ihre Fahrt fortsetzen?« Er deutete mit dem Kopf nach links in die Stromrichtung, wo sich die großen Brücken über den Fluß schwangen. »Das Wetter ist prächtig — und vielleicht finden Sie eine nettere Gesellschaft. Ehrlich gesagt, ich finde es doch ein wenig gefährlich für eine junge Dame, so mutterseelenallein unterwegs zu sein. Ein Glück nur, daß man nicht überall auf solche Pracks trifft.«
    »Oh, ich weiß mich schon meiner Haut zu wehren!« sagte Barbara.
    »Gewiß, gewiß. Trotzdem bin ich recht froh, daß wir damals zur rechten S-tunde auf der Insel s-trandeten. Also, Sie wollen weiterfahren?«
    Barbara antwortete mit einer unbestimmten, trägen Bewegung. Wußte sie es selber? Sie hatte, als Thomas Steffen mit seinem Sprüchlein zu Ende war, eigentlich die Absicht gehabt, nun ihrerseits einiges aufzusagen. Von einer zerbrochenen Angelrute angefangen bis zu diesem letzten Abenteuer und einem Hochzeitstermin, der... War er wirklich in weite Femen gerückt?
    Aber sie war zu müde, von der Hitze und auch von dem genossenen Wein, und überhaupt zu angenehm matt, um jetzt Rede und Antwort zu stehen und sich an Thomas Steffens Verblüffung zu weiden. Und außerdem war sie sich auch noch nicht über das letzte Kapitel schlüssig. Dreimal war sie heute vormittag mit dem festen Vorsatz, sich eine Fahrkarte zu kaufen, zum Bahnhof gegangen und ebensooft wieder umgekehrt. Wenn es vielleicht geregnet hätte? Aber das Wetter war so schön, Faltboot- und Zeltwetter, wie man es sich besser gar nicht wünschen konnte. Die Leihbibliothek daheim war doch nur ein recht fragwürdiger Ersatz für andere Urlaubsfreuden.
    Sie blinzelte, von der Überfülle des Lichtes geblendet, in das sattgrüne Kastanienlaub hinauf. Der Baum hatte schon nußgroße, stachelbewehrte Früchte angesetzt. Eine Katze schnurrte um ihre Beine und strich sich an ihrer braunen Haut das schwarz glänzende Fell glatt. Sie hob das Tierchen empor, nahm es auf den Schoß und streichelte ihm sanft den geschmeidigen Rücken.
    Thomas Steffen hing träg in seinem Stuhl und ließ sich vom leisen Rauschen des Stromes und vom zauberhaften Lichterspiel der Sonne auf dem Wasser einschläfern. Die Stadt war still und von der Hitze wie erdrückt. Auch die Buben, die drüben vor der Zitadelle lärmend Fußball gespielt hatten, waren verstummt und lagen im Schatten alter Linden. Nur zwei Tennisspieler auf einem der Klubplätze neben dem Haus hielten unermüdlich durch, aber die dichten Büsche dämpften das summende Klingen der Schläger
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