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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich
Autoren: Horst Biernath
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nächsten oder übernächsten Tag wieder einmal daran. So, und jetzt ein Lied! Was sollen die Soldaten essen, Kapitän und Leutenant, Schweinebraten mit Kressen, das sollen die Soldahahaten ehessen...
    O Barbara! Daß du mir das angetan hast! Daß du deine Drohung wahrgemacht hast und tatsächlich ausgerückt bist! Und eigentlich ist es doch fabelhaft. Da sieht man doch, was du für ein Prachtkerl bist. Da wird nichts versprochen, was nicht auch gehalten wird. Eisern! Aber mir wäre es lieber gewesen, du hättest nichts versprochen und mich lieber grausam zusammengestaucht für mein schandbares Benehmen dir gegenüber. Und wenn ich auch vielleicht nicht ganz stillgehalten hätte, aber nach dem Gewitter wäre die Luft zwischen uns sauber gewesen. Ach, so sauber!
    Es war ja sonnenklar, daß nicht etwa Herr Steffen Barbara entführt hatte, sondern sie ihn. Und wer sonst als sie hatte ihm Anzug und Geld aus dem Zelt geklaut, während er schlief! Er hatte keinen Zorn auf Thomas Steffen. Barbara hätte ihm diesen Streich sicherlich auch dann gespielt, wenn kein Steffen dagewesen wäre. Aber da er ihr nun einmal zur Hand war, hatte sie es sozusagen bequemer gefunden, ihn als Kleiderständer zu benutzen, als die Sachen selber wegzuschleppen. Oh, es war schon imponierend, wie sie sich zu rächen verstand. Und hatte er sich ihr gegenüber wahrhaftig nicht wie ein dummer Lausbub betragen? Aber während er noch glaubte, die Zügel zu führen, lief das Pferdchen schon längst nach ihrem Willen — und er war der Geprellte. Ja, es war wirklich höchste Zeit, ihr die Leitung in allen Lebenslagen anzuvertrauen und das Aufgebot zu bestellen.
    Michael hörte Motorengeräusch, er blickte auf und sah, über das Schilf spitzend, ein Motorboot den Strom heraufkommen. Aber die angehängten Boote, die im Kielwasser schleiften, und Barbara, die hinter dem Steuerhäuschen stand, sah er nicht. Er duckte sich tiefer hinter das Uferschilf. Ein einsamer Mann in einer ziemlich mitgenommenen und vom Zahn der Zeit angenagten Badehose, das traurige Überbleibsel einer vor kurzem noch fünfköpfigen Gesellschaft. Immerhin, es war tröstlich, das Tuckern zu hören und zu wissen, daß man nicht ganz allein auf der Welt war.
    »Ahoi!« schallte es übers Wasser. »Ein Zeltplatz hier frei für die Nacht?«
    »Barbara!« brüllte er und tat einen Satz nach vorn.
    »Mach die Boote los und hilf mir herüber!« rief sie ihm zu.
    Der Motor lärmte und hielt das Boot drei oder vier Schritte von der Insel entfernt an der Stelle, wo Thomas Steffen gestrandet war, gegen den Strom. Michael fing die Leinen auf und vertäute sie an den alten Pfahlrosten, die jetzt, da der Fluß ein wenig gefallen war, wieder aus dem Wasser ragten.
    »Halbe Kraft voraus!« brüllte er dem Bootsmann zu.
    Der gab grinsend Gas und führte das Boot weiter herauf.
    Michael stand schon hüfttief im Wasser und streckte die Arme nach Barbara aus, die nur noch mit einem Fuß auf der Außenbordleiste stand.
    »Hopp, Mädchen!« Er fing sie auf und trug sie ans Ufer.
    »Pfüet enk Gott!« rief der Bootsmann ihnen zu und warf das Paket herüber. Er gab Vollgas, kurvte um die Insel und kam bald an der anderen Seite vorüber.
    Barbara winkte ihm zu.
    Und er spitzte die Lippen und knallte einen Kuß in die Luft. Ein echter Donau-Dampfschiffahrtsgesellschafts-Steuermann!
    »Daß du gekommen bist, Barbara«, sagte Michael und holte Luft, als atme er nach Tagen zum ersten Male wieder frei, »daß du wirklich gekommen bist!« Er schloß sie in die Arme, als beabsichtige er, ihr zum Empfang die Rippen zu brechen.
    »Du hast Glück gehabt, Michael, daß es so rasch ging. Wenn ich die Keysers nicht getroffen hätte...« Sie sah ihn sehr ernst an, und es klang, als sei sie noch im letzten Augenblick aus dem anfahrenden Zug gesprungen. »Nun sag mir bloß, was es eigentlich zwischen dir und Marion gegeben hat. Ich konnte aus den Bruchstücken, die sie Herrn Steffen erzählte, nicht recht klug werden. Aber ihren Verwünschungen nach muß es furchtbar gewesen sein.«
    »Dieses entsetzliche Mädchen hat Eierkuchen backen wollen«, sagte er mit einer trostlosen Handbewegung und begnügte sich damit, als Fortsetzung seiner Ausführungen stumm auf die Pfanne zu deuten, die mit verbranntem Stiel und einer kohlschwarz angebackenen Kruste noch immer vor der Hütte lag.
    »Um Himmels willen, Michael, du hast ihr mit der Pfanne doch nicht etwa...«
    »Nein, nein, Barbara, wo denkst du hin! Ich bin doch kein Rüpel!
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