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Rätsel um die alte Villa

Rätsel um die alte Villa

Titel: Rätsel um die alte Villa
Autoren: Stefan Wolf
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1. Die verlorene Brieftasche
     
    In der Grünanlage hinter dem
Eisstadion war Radfahren verboten. Tarzan schob sein Rennrad, blieb jetzt aber
stehen, um sich nach seinem Freund Klößchen umzusehen.
    Der saß am Wegesrand, hatte den
linken Schuh ausgezogen und kippte zwei mittelgroße Kiesel heraus.

    „So eine Gemeinheit“, schimpfte
er. „Ich wette, die Steine haben was gegen mich. Immer landen sie in meinem
Schuh. Immer hab’ ich die Blasen. Scheint eine Verschwörung zu sein. Aber ich
werde mich rächen.“ Er machte eine Schleife ,mit Seemannsknoten’ — wie er das
nannte. Außer ihm kriegte niemand sie auf. Dann stellte er sich auf seine
stämmigen Beine, hob seinen Drahtesel auf und kam seinem Freund nach, aber
immer noch schimpfend.
    Im selben Moment sah Tarzan die
Brieftasche.
    Sie lag hinter einer Parkbank,
halb verdeckt von einem Stück Zeitung und dem dichtbelaubten Zweig eines
Strauches.
    „Du, ich hab’ was gefunden.“
    Tarzan beugte sich über die
Bank und hob die Brieftasche auf.
    Sie war aus feinstem
Krokodilleder, prall gefüllt und deshalb dick wie ein Taschenbuch-Doppelband.
    In Klößchens Gesicht wurden die
Augen rund und groß. Verblüfft stieß er einen Pfiff aus. Den hörte ein Pudel,
der in der Nähe auf einer Wiese herumtollte. Der Hund stutzte und kam in langen
Sprüngen heran, bis er merkte, daß nicht sein Frauchen gepfiffen hatte.
    „Donnerwetter“, meinte
Klößchen. „Da scheint allerhand drin zu sein.“
    „Da müssen wir nachsehen!“
Tarzan klappte die Brieftasche auf.
    Beiden verschlug es den Atem.
    Dicke Geldbündel quollen aus
den Lederfächern. In einem steckten Scheckhefte und Scheckkarten. Außerdem
enthielt die Brieftasche einen Personalausweis.
    „Dann geben wir sie nicht im
Fundbüro ab“, sagte Tarzan, „sondern direkt beim Eigentümer — falls er hier in
der Stadt wohnt.“
    „Soviel Geld!“ staunte
Klößchen. „Soviel hat nicht mal mein Vater bei sich. Der bezahlt immer alles
mit Schecks.“
    „Weißt du, was toll ist, Willi“,
sagte Tarzan — denn Klößchen war ja nur der Spitzname. In Wirklichkeit hieß er
Willi Sauerlich. „Uns stehen fünf Prozent Finderlohn zu.“
    „Was heißt uns? Du hast die
Tasche gefunden.“
    „Ich beteilige dich.“
    „Nein, nein! Ich kriege ohnehin
genug Taschengeld. Erst neulich habe ich gelesen, es wäre nicht gut, wenn man
so verwöhnt wird. Du hast es nötiger. Außerdem hast du die Tasche gefunden. Nie
hätte ich die entdeckt.“
    „Zählen wir mal!“
    Sie setzten sich auf die Bank
und nahmen die Geldbündel heraus. Es waren Scheine zu 100 und zu 500 DM.
500er-Geldnoten hatten die beiden Jungen noch nie gesehen.
    Tarzan zählte und kam auf genau
6000 Mark. Er schlug den Personalausweis auf.
    „Ja, der Mann wohnt hier in der
Stadt. Heißt Günther Adelmann und ist 46 Jahre alt. Wir...“
    „Der?“ rief Klößchen. „Dann ist
ja alles klar. Das ist der Juwelier und Goldschmied Adelmann. Hat ein tolles
Geschäft, sage ich dir. Meine Mutter läßt oft bei ihm arbeiten. Sie sagt, er
wäre der teuerste, aber auch der beste weit und breit. Kein Wunder, daß der
soviel Geld mit sich rumträgt. Für den ist das so, als wenn wir ein paar
Markstücke verlieren.“
    Das traf freilich nur für
Tarzan zu, dessen Mutter Witwe war und nicht viel Geld hatte. Vor Jahren war
sein Vater, ein Diplom-Ingenieur, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Seitdem mußte sich Frau Carsten sehr bemühen, um ihren Sohn Peter — genannt
Tarzan — und sich selbst durchzubringen. Sie arbeitete ganztags als
Buchhalterin, weit weg von hier, und hatte ihren Sohn in einer der besten
Internatsschulen untergebracht.
    Dort war Klößchen sein
Budenkamerad. Klößchens Eltern — sie hatten eine Schokoladenfabrik — lebten
hier in der Stadt. Zwar lag die Internatsschule nur 20 Trablaufminuten vom
Stadtrand entfernt in freier Natur, trotzdem wohnte Klößchen nicht zu Hause,
sondern im Internat. Sicherlich — bei ihm zu Hause war es toll und der
Wohlstand enorm, aber Klößchen zog das Internatsleben vor. Weil er sich — wie
er sagte — zu Hause immer gelangweilt hatte. Im Internat dagegen war ständig
was los. Besonders wenn man sich zu Tarzans Freunden zählen durfte, verging
fast kein Tag, an dem man nicht in spannende Abenteuer geriet. Denn Tarzan war
nun mal der geborene Draufgänger, und das mit einem ausgeprägten Gefühl für
Gerechtigkeit.
    Sorgfältig steckte er jetzt
Geld und Ausweis in die Brieftasche
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