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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Abkunft war, und daß bei meinem Gebete für Athen ihr Herz dem meinigen geantwortet hatte. Ich fragte sie mit bewegter Stimme: ›Bist Du nicht auch eine Athenerin, schöne Jungfrau?‹ Beim Klange meiner Stimme erröthete sie, bedeckte ihr Gesicht zur Hälfte mit dem Schleier und antwortete: ›Die Asche meiner Väter ruht an den Ufern des Ilissus; ich wurde zu Neapel geboren, allein mein Herz ist athenisch, wie meine Abkunft.‹ – ›Wir wollen also unsere Opfer miteinander darbringen,‹ sagte ich zu ihr. In diesem Augenblick war der Priester hereingekommen, und wir sprachen nun, nebeneinanderstehend, ihm das Gebet nach; miteinander berührten wir die Kniee der Göttin, miteinander legten wir unsere Olivenkränze auf den Altar nieder. Bei dieser gemeinschaftlichen Handlung empfand ich ein eigenthümliches Gefühl einer fast geheiligten Zärtlichkeit. Fremd, aus einem entfernten und gefallenen Lande hergekommen, standen wir hier bei einander und allein in diesem der Gottheit unseres Vaterlandes geheiligten Tempel. War es da nicht natürlich, daß mein Herz sich zu ihr hingezogen fühlte, die ich doch gewiß mit Recht meine Landsmännin nennen konnte? Mir war, als ob ich sie seit langer Zeit kenne, und dieser einfache Gottesdienst schien mir wie durch ein Wunder die Sympathie der Herzen bewirkt und die Bande der Zeit ersetzt zu haben. Wir verließen den Tempel in tiefem Stillschweigen, und als ich sie eben fragen wollte, wo sie wohne und ob ich mir nicht einen Besuch bei ihr erlauben dürfe, kam ein Jüngling, dessen Gesichtszüge einige Ähnlichkeit mit den ihrigen hatten, und der auf den Stufen des Tempels stand, herbei und erfaßte ihre Hand. Sie wandte sich noch einmal um und gab mir den Abschiedsgruß. In diesem Augenblicke trennte uns die Menge und ich sah sie nicht wieder. Bei meiner Nachhausekunft fand ich Briefe vor, die mich zur Reise nach Athen nöthigten, wo mir Verwandte meine Erbschaft streitig zu machen drohten. Nach Gewinnung meines Prozesses kehrte ich nach Neapel zurück; ich ließ in der ganzen Stadt Nachforschungen anstellen, ohne jedoch irgend eine Spur von meiner Landsmännin auffinden zu können, und in der Hoffnung, im Schooße der Vergnügungen jede Erinnerung an diese liebliche Erscheinung zu vergessen, eilte ich mich in die Herrlichkeiten Pompeji's zu versenken. Dies ist meine ganze Geschichte. Ich liebe nicht, aber ich erinnere und sehne mich.«
    Klodius wollte eben antworten, als ein langsamer und gemessener Schritt sich auf den Kieselsteinen vernehmen ließ; bei diesem Geräusch wandten sie sich Beide um und erkannten augenblicklich den neuen Ankömmling.
    Es war ein Mann, der kaum vierzig Jahre zählte, von hohem Wuchse und magerem aber kräftigen und sehnigen Körperbau. Seine dunkle und bronzirte Haut verrieth seinen orientalischen Ursprung und seine Züge hatten etwas Griechisches in ihren Umrissen, besonders an Kinn, Lippen, Stirne und Hals; nur war seine Nase etwas groß und gebogen, während seine harten und hervorstechenden Knochen jene fleischlichen Conturen nicht gestatteten, die einer griechischen Physiognomie selbst im Mannesalter die runden und schönen Linien der Jugend erhielten. Seine Augen waren groß und schwarz, wie die tiefste Nacht, und strahlten von einem beständigen festen Glanze. Eine tiefe, nachdenkende und beinahe melancholische Ruhe schien in ihrem majestätischen und imposanten Blicke ihren steten Wohnsitz aufgeschlagen zu haben. Sein Gang und seine Miene waren auffallend gesetzt und stolz, und der sonderbare Schnitt und die einfachen Farben seines langen Gewandes erhöhten den gewaltigen Eindruck der ruhigen Physiognomie und der stattlichen Gestalt. Die beiden jungen Männer machten, da sie ihn grüßten, maschinenmäßig ein leichtes Zeichen mit den Fingern, das sie jedoch sorgfältig vor dem Fremden verhehlten; denn Arbaces, der Egypter, galt dafür, daß er die Gabe eines unheilvollen Blickes besitze.
    »Die Scene muß wirklich herrlich sein,« sagte Arbaces mit kaltem, aber höflichem Lächeln, »die den lebenslustigen Klodius und den allbewunderten Glaukus aus den volkreichen Straßen der Stadt wegzulocken vermag.«
    »Ist denn die Natur im Allgemeinen so religiös?« fragte der Grieche.
    »Für die Zerstreuten – ja.«
    »Diese Antwort ist streng, aber ich halte sie nicht für richtig. Das Vergnügen liebt die Gegensätze; die Zerstreuung lehrt uns die Reize der Einsamkeit, die Einsamkeit die der Zerstreuung schätzen.«
    »So denken die jungen
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