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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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leidenden Matrosen und liebreichen Delphinen erzählte, gerade so wie man sie heutzutage noch in der modernen Nachbarschaft auf dem Molo von Neapel hören kann.
    Der Grieche zog seinen Gefährten aus der Menge fort und lenkte seine Schritte gegen einen einsamen Theil des Ufers, wo sich die beiden Freunde auf einem kleinen Felsstücke, das sich aus den glatten Kieselsteinen erhob, niedersetzten, und die wollüstige und kühle Luft einsogen, die, über die Wasser hintanzend, eine liebliche Musik bildete. Es lag vielleicht etwas in dieser Scene, das sie zum Stillschweigen und zu Träumereien einlud. Klodius hielt die Hand vor die Augen, um diese gegen den brennenden Himmel zu schützen, und überrechnete seinen Gewinn von der vorigen Woche; der Grieche aber stützte sich auf seinen Ellenbogen, ohne Scheu vor der Sonne, der Schutzgöttin seines Vaterlandes, deren strömendes Licht sein Herz mit Poesie, Liebe und Glück erfüllte, seine Blicke hafteten fest auf der ungeheuer großen Meeresfläche und beneideten vielleicht jedes Lüftchen des Mittags, das seine Schwingen nach den Küsten Griechenlands hintrug.
    »Sage mir, Klodius, bist Du nie verliebt gewesen?«
    »Jawohl, sehr oft.«
    »Wer oft geliebt hat,« antwortete Glaukus, »hat nie geliebt. Es gibt nur einen Eros, obwohl viele Nachbildungen von ihm.«
    »Diese Bilder sind, im Ganzen genommen, keine bösen Götterchen,« sagte Klodius.
    »Ich gebe es zu,« versetzte der Grieche; »ich bete sogar den Schatten der Liebe an, sie selbst aber noch viel mehr.«
    »Bist Du also ernstlich und nüchtern verliebt? empfindest Du dieses von den Dichtern geschilderte Gefühl, das uns dahin bringt, unsere Abendessen zu vernachlässigen, das Theater zu verschmähen und Elegien zu schreiben? Ich hätte es nie geglaubt; Du kannst Dich recht verstellen.«
    »So weit bin ich noch nicht,« sagte Glaukus lächelnd; »ich spreche vielmehr mit Tibull:
Wen sanfte Liebe lenket, der ist,
Wo er auch geht, geschützt und heilig.
     
    In der That, ich bin nicht verliebt; aber ich könnte es werden; wenn ich nur Gelegenheit hätte, den Gegenstand meiner Liebe zu sehen. Eros möchte gerne seine Fackel anzünden; aber die Priester haben ihm kein Öl gegeben.«
    »Soll ich den Gegenstand Deiner Wahl erraten? Ist es nicht Diomeds Tochter? Sie betet Dich an, und gibt sich nicht einmal die Mühe, es zu verbergen, und, beim Herkules, ich wiederhole es, sie ist so schön und reich zugleich. Sie wird die Thürpfosten ihres Gatten mit goldenen Bändern umwinden.«
    »Nein, verkaufen will ich mich nicht. Die Tochter Diomeds ist schön, das gebe ich zu, und es gab eine Zeit, wo ich, wenn sie nicht die Enkelin eines Freigelassenen wäre, vielleicht – Aber nein, sie trägt all ihre Schönheit auf dem Gesichte; ihr Benehmen ist nicht wie das eines Mädchens, und ihr Verstand kennt keine andere Sorge, als die für das Vergnügen.«
    »Du bist undankbar. Sage mir doch, wer die glückliche Jungfrau ist.«
    »Vernimm denn, mein theurer Klodius. Vor einigen Monaten befand ich mich in Neapel, einer Stadt, ganz nach meinem Herzen; denn sie bewahrt noch das Wesen und den Stempel ihres griechischen Ursprungs, und verdient durch ihr himmlisches Klima und ihre herrlichen Gestade noch immer den Namen der Parthenope. Eines Tages trat ich in den Minervatempel ein, um die Göttin nicht sowohl für mich selbst, als für die Stadt, auf welche Pallas nicht mehr lächelt, anzuflehen. Der Tempel war einsam und verlassen; die Erinnerungen an Athen drängten sich schnell und erweichend auf mich ein; da ich mich allein glaubte und in meine ernsten und frommen Betrachtungen versunken war, drang ein Gebet aus meinem Herzen hervor, schwebte über meine Lippen und betend vergoß ich Thränen. Plötzlich wurde ich hierbei durch einen tiefen Seufzer unterbrochen; ich wandte mich um und sah dicht hinter mir ein Frauenzimmer. Sie hatte ihren Schleier aufgehoben und betete gleichfalls; als sich unsere Augen begegneten, schien mir aus diesen dunkeln und leuchtenden Sternen ein himmlischer Strahl in die innerste Seele zu dringen. Nie, mein lieber Klodius, sah ich ein schöner geformtes Menschenangesicht; eine gewisse Melancholie milderte und erhob zugleich seinen Ausdruck; jenes unaussprechliche Etwas, das der Seele entspringt und das unsere Bildhauer in das Gesicht der Psyche übertrugen, verlieh ihrer Schönheit einen erhabenen und himmlischen Charakter. Thränen entströmten ihren Augen. Ich ahnete augenblicklich, daß sie athenischer
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