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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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das Gegentheil. Man kann Rom wörtlich – Sentina gentium – nennen. ] Die verschiedenen Versammlungsörter, die bei diesem geschäftslosen Volke unsere Kaffeehäuser und Clubs ersetzen; die Schuppen, in welchen auf Marmortafeln Gefäße mit Wein und Öl aufgestellt waren, und vor deren Schwellen Bänke, die man durch ausgespannte Purpurdecken gegen die Sonne geschützt hatte, die Müden zum Ausruhen, die Müßiggänger zum Verweilen einluden – Alles dieses bildete eine so bunte, belebte und belebende Scene, daß der athenische Geist des Glaukus wegen seiner Empfänglichkeit für die Freude dadurch wohl entschuldigt wurde.
    »Sprich mir nicht mehr von Rom,« sagte er zu Klodius. »In seinen mächtigen Mauern sind die Vergnügungen zu prunkvoll und schwerfällig. Sogar in dem Kreise des Hofes, in dem vergoldeten Hause des Nero, inmitten der beginnenden Pracht des für Titus bestimmten Palastes liegt eine gewisse Schwerfälligkeit. Das Auge leidet darunter und der Geist wird dadurch ermüdet. Überdies macht es uns angenehm, mein lieber Klodius, den unermeßlichen Luxus und Reichthum Anderer mit der Mittelmäßigkeit unserer eigenen Zustände vergleichen zu müssen. Hier hingegen überlassen wir uns ganz behaglich den Vergnügungen und genießen den vollen Glanz des Luxus ohne das Ermüdende seines Pompes.«
    »Aus diesem Grunde also hast Du Pompeji zu Deinem Sommeraufenthalt gewählt?«
    »Ja wohl; ich ziehe Pompeji Bajä vor. Zwar lasse ich den Reizen von Bajä Gerechtigkeit widerfahren; aber ich hoffe die Pedanten, die es bewohnen und jedes ihrer Vergnügungen nach Drachmen abzuwägen scheinen.«
    »Und doch bist Du ein Freund der Gelehrten, und was Poesie betrifft, so sind ja Äschylus und Homer, das Epos, wie das Drama, bei Dir zu Hause.«
    »Ja, aber diese Römer, die meine athenischen Vorfahren nachahmen, benehmen sich bei Allem so schwerfällig! Selbst wenn sie auf die Jagd gehen, lassen sie sich die Werke Plato's von ihren Sklaven nachtragen; und wenn sie die Fährte des wilden Schweines verlieren, greifen sie nach ihren Büchern und ihrem Papyrus, um nicht auch die Zeit zu verlieren. Während die Tänzerinnen in dem ganzen Zauber persischer Tänze vor ihren Augen hingleiten, liest ihnen ein Freigelassener mit einem Marmorgesichte ein Kapitel aus Cicero de officiis vor. Ungeschickte Parmazisten! Vergnügen und Studium, sind keine vereinbare Elemente; man muß sie getrennt genießen; die Römer aber verlieren beide Genüsse durch diese vorwitzige Affektation von Versteinerung, und beweisen dadurch, daß sie weder für den einen noch für den andern Sinn haben. Oh! mein lieber Klodius, wie wenig verstehen Deine Landsleute von der wahren Geschmeidigkeit des Perikles, von den wahren Zauberkünsten einer Aspasia! Gestern besuchte ich Plinius. Er saß in seinem Sommerhause und schrieb, während ein unglücklicher Sklave Flöte blies. Sein Neffe, (ach! Ohrfeigen möchte ich solchen philosophischen Zierbengeln geben!) sein Neffe las die Beschreibung der Pest von Thucybides, begleitete bisweilen die Musik mit einem Nicken seines dünkelhaften Köpfchens, während seine Lippen all die Ekel erregenden Details dieser schrecklichen Schilderungen vortrugen. Dieser junge Windbeutel fand es ganz in der Ordnung, zu gleicher Zeit ein Liebeslied und die Beschreibung der Pest zu lernen.«
    »Nun, sie sind auch ziemlich dasselbe!« meinte Klodius.
    »Dies sagte ich auch wirklich zu ihm, um seine Abgeschmacktheit zu entschuldigen; aber mein junger Philosoph sah mich vorwurfsvoll an, und antwortete mir, ohne den Spott zu verstehen, die Musik ergötze nur den Sinn des Gehörs, während das Buch (wohl zu bedenken, die Beschreibung der Pest!) das Herz erhebe. ›Ach!‹ sagte der dicke Oheim, ›mein Neffe ist ein ganzer Athenienser, der das utile mit dem dulci zu vereinigen weiß.‹ Bei der Minerva, wie lachte ich in die Faust hinein. Ich war noch da, als man dem philosophischen Schulknaben meldete, daß sein liebster Freigelassener eben am Fieber sterbe. ›Unerbittlicher Tod!‹ rief er, ›bringet mir meinen Horaz. Wie schön weiß dieser liebenswürdige Poet auch in solcherlei Unglücksfällen zu trösten!‹ Oh, können solche Leute lieben, mein Klodius? Kaum mit den Sinnen! Wie selten hat ein Römer ein Herz! Er ist nur eine geistige Maschine, der Fleisch und Blut fehlt.«
    Obschon Klodius sich im Geheimen etwas verletzt fühlte, als er seine Landsleute so herabwürdigen hörte, so stellte er sich doch, als ob er derselben
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