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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Meinung sei, wie sein Freund; theils weil er von der Natur ein Parasit, theils weil es damals unter den leichtsinnigen jungen Römern Sitte war, gegen dieselbe Abkunft, die sie in Wirklichkeit so anmaßend machte, einige Verachtung zu affektiren. Es gehörte zur Mode, die Griechen nachzuahmen und sich zugleich über diese ungeschickte Nachäfferei lustig zu machen.
    Während dieses Gesprächs wurden ihre Schritte von der Menge aufgehalten, die sich an einem offenen Platze, wo drei Straßen zusammenliefen, versammelt hatte. Hier, im Schatten der Säulenhalle eines Tempels von graziöser und leichter Architektur, stand ein junges Mädchen, am rechten Arm ein Blumenkörbchen, in der linken Hand ein kleines, dreisaitiges Instrument, zu dessen schwachen und angenehmen Tönen sie ein halb barbarisches Lied sang. Bei jeder Ruhepause in der Musik bot sie mit Anmuth den Zuschauern ihr Körbchen dar, und lud sie zum Kaufe der Blumen ein; und mehr als ein Sesterz fiel in den Korb, entweder zur Belohnung des Gesanges, oder als ein Beweis der Theilnahme an der Sängerin – denn sie war blind.
    »Es ist meine arme Thessalierin,« sprach Glaukus stille stehend. »Ich habe sie seit meiner Rückkehr nach Pompeji nicht wieder gesehen. Sie hat eine angenehme Stimme; wir wollen ihr zuhören.«
    Das Lied des blinden Blumenmädchens
1.
Kauft meine Blumen, hört meine Klagen,
Ich komm' aus der Ferne, ich bin blind;
Wenn die Erde so schön ist, wie sie sagen,
Die Blume hier ist der Erde Kind!
Ihr seht noch die Schönheit, die sie ihr lieh?
Sie kommt so eben von ihrem Schooß;
Vor einer Stunde erst riß ich sie
Aus dem Schlafe in ihren Armen los,
Mit der Kunst, die ihr zarter Odem ist,
Die ihr zarter, lieblicher Odem ist,
Und tosend sich über sie ergoß!
     
Seht, wie auf den Lippen ihr Kuß noch schwebt,
Wie auf den Wangen die Thräne noch bebt,
Denn sie weinet, die zärtliche Mutter weinet,
(Wenn sie, Sorge und Sehnsucht im Herzen geeinet,
Morgens und Abends die Wache bezieht) –
Sie weinet, weil der Liebling so schön erblüht,
Sie weinet, sie weinet aus Liebe,
Und der Thau ist die Thräne der Liebe,
Die aus dem Brunnen des Herzens quillt.
     
2.
Ihr lebet in eitler Welt voll Licht,
Wo Liebe sich in dem Geliebten spiegelt,
Das Ohr allein ist der Blinden Gesicht,
Und ihr ist der Tag für immer verriegelt.
     
Wie drunten ein abgeschied'ner Geist
Steh' ich am Strome der Qual verwaist;
Ich höre die Schatten vorüberziehen
Und fühle nur ihres Odems Wehen.
     
Und ich möchte so gern die Geliebten schauen
Und ich recke die Arme nach ihnen all,
Doch ich fasse nur hohler Stimmen Schall,
Das Leben ist mir ein Gespenst voll Grauen.
     
Kauft meine Blumen, o seht sie weinen,
O hört sie seufzen die lieblichen Kleinen
(Sie haben auch eine Stimme wie wir);
»Die Blinde,« klagen die Blätterlosen,
»Versengt mit ihrem Odem die Rosen;
»Wir sind vom Lichte ans Licht gebracht,
»Wir schauern zurück vor dem Kinde der Nacht.
»O lasset uns uns're Erlösung erflehen;
»Wir schmachten nach Augen, die uns sehen.
»Wir sind zu heiter für diese Nacht,
»O gönnt uns den Tag, der aus Euch lacht,
»O kaufet, o kaufet die Blumen!«
     
     
    »Ich muß diesen Veilchenstrauß haben, liebenswürdige Nydia,« sagte Glaukus, sich durch die Menge hindurchdrängend und eine Handvoll kleiner Münzen in das Körbchen werfend; »Deine Stimme ist reizender als je.«
    Die junge Blinde fuhr rasch vor, als sie die Stimme des Atheners hörte, aber plötzlich stand sie still, und Hals, Wangen und Stirne überzog schnell eine hohe Röthe.
    »Du bist also wieder zurückgekehrt?« sagte sie mit leisem Tone; hierauf wiederholte sie, gleichsam wie im Selbstgespräche: »Glaukus ist zurückgekehrt!«
    »Ja, mein Kind, ich bin erst seit wenigen Tagen wieder in Pompeji. Mein Garten bedarf Deiner Pflege wie früher; ich rechne darauf, daß Du ihn morgen besuchest. Ich versichere Dich, daß in meinem Hause keine andere Hand Kränze flechten soll, als die der hübschen Nydia.«
    Nydia lächelte, antwortete aber nicht; Glaukus stecke die ausgesuchten Veilchen an seine Brust und begab sich vergnügt und gleichgültig aus der Menge fort.
    »Dieses Kind ist also eine Art Klientin von Dir?« sagte Klodius.
    »Ja; – nicht wahr, sie sing recht brav? Diese arme Sklavin interessirt mich. Ueberdies ist sei aus dem Lande des Götterberges; der Olympus hat auf ihre Wege geschaut – sie ist aus Thessalien.«
    »Dem Lande der Zauberinnen.«
    »Allerdings; aber ich meines Theils finde, daß
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