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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
Autoren: Ed Stuhler
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bitteschön, Freiwillige durchtreten, ich nicht.‹ Ich habe aber, in meinem Anwaltsbüro, gesagt: ›Mein Stuhl bleibt frei, ich komme wieder. Das ist nicht mein Lebensberuf‹«.
      Das Angebot, ein Ministerium zu übernehmen, erreicht in dieser atemlosen Zeit fast alle überraschend, und es gibt kaum Bedenkzeit. Cordula Schubert erinnert sich: »Für mich kam es sehr überraschend; denn bekanntlich war das mit den Telefonverbindungen in der DDR ja nicht so weitverbreitet. Ich musste am Tag vorher schon zur Volkskammersitzung anreisen, das war der 10.April, die Volkskammersitzung begann irgendwann um 10.00 oder 9.30 Uhr. Jeden falls hätte ich da früh nicht mehr mit dem Zug von Chemnitz nach Berlin fahren können. So musste ich also einen Tag vorher anreisen. Und Auto hatte ich natürlich keins; denn die Wartezeit war noch nicht erfüllt. Und die hatten versucht, von Berlin aus mich telefo nisch über die CDU-Geschäftsstelle zu erreichen. Aber ich war ja schon weg. Ich bin dann direkt zur Volkskammersitzung gegangen.
      Und unten vor der Tür wartete der Geschäftsführer der Christlich-Demokratischen Jugend und meinte: ›Also, ich wollte nur sagen, du bist die designierte Ministerin für Jugend und Sport. Und wenn du jetzt die Treppen hochgehst, da oben steht Elf99, das Jugendfernsehen der DDR, und will als Erstes von dir hören, welche Politik du beabsichtigst in der nächsten Zeit.‹ Ein Gespräch hat eben halt auf Grund der Zeitprobleme und Erreichbarkeiten vorher nicht stattgefunden.«
      Herbert Schirmer: »Ich war in Potsdam und bin von da aus durch West-Berlin gefahren, was damals noch mit einigen Kontrollmechanismen verbunden war, und kam demzufolge zu spät in die Präsidiumssitzung der CDU an dem damaligen Platz der Akademie, heute wieder Gendarmenmarkt, und betrete den Raum, der sozusagen besetzt war von den Gremien der Partei. Und alle guckten irgendwie so ein bisschen auf mich und lächelten milde. Und ich hatte das Gefühl, als ich den Raum betrat, alle wissen etwas, was ich nicht weiß. Ich habe dann meinen Platz eingenommen und irgendeine Entschuldigung wegen des Zuspätkommens geflüstert, und die Tages ordnung lief weiter.
      Und plötzlich wurden Zettel verteilt. Und da lag vor mir das Schreiben, in dem der zukünftige Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, mich beglückwünscht zum Amt des Kulturministers der DDR. Es hat bis zu diesem Zeitpunkt keine Vorgespräche gegeben.«

    Regine Hildebrandt wird von der frohen Botschaft in der Kirche überrascht. Ihr Staatssekretär Alwin Ziel: »Wir wussten, wo sie ist, die sang im Domchor. Und dann kriegten zwei von uns, Wolfgang Thierse und ich, den Auftrag, zu Regine zu gehen und ihr zu sagen, also jetzt wird es ernst, wir haben beschlossen, du sollst Arbeits- und Sozialministerin werden. Und als wir dahin kamen in die Kirche, da war das so, dass der Chor gerade sang und Regine mittendrin. Und wir mussten warten, bis die mit ihrem Lied zu Ende sind. Und dann haben wir gesagt: ›Regine, du musst Ministerin werden!‹

    Herbert Schirmer, Minister für Kultur Regine Hildebrandt, Ministerin für Arbeit und Soziales

    Und ihre wörtliche Reaktion war: ›Ihr seid verrückt geworden!‹ Das heißt, sie wollte gar nicht.«
      Markus Meckel findet sich schwer in die Ministerrolle: »Ich bin ja vorher eigentlich immer nur mit einem Pullover rumgerannt. Ich habe auch als Pfarrer keine Anzüge getragen. Ich besaß nur einen, und der passte mir nicht mehr so richtig. Vor meiner USA-Reise habe ich mir dann einen Anzug gekauft. Und am Anfang meiner Außenministerzeit war das der einzige Anzug, den ich hatte. Und ich hatte dann kaum Zeit, mir andere zu kaufen, weil einfach die Tage von morgens bis abends so voll waren, dass also allein schon diese Banalität ein Problem darstellte. So dass es schon schwierig war, sich darauf einzustellen und immer den notwendigen protokollarischen Gepflogenheiten zu entsprechen, die man ja nicht kannte. Man musste beraten werden. Wichtig war, aber auch das dauerte eine Weile, dass ich mir dann ein paar Leute ausgeborgt habe aus dem Auswärtigen Amt. Das heißt, Hans Dietrich Genscher hat mir angeboten, ein paar Leute zu schicken. Aber ich war ja durchaus misstrauisch und wollte nicht unbedingt, dass dann vom Auswärtigen Amt mein Haus auch noch intern mitgeleitet wird.«
      Der Bayerische Ministerpräsident Streibl spricht von der Laienspielerschar, die da im Osten am Werk sei, und meint das durchaus
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