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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
Autoren: Ed Stuhler
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ich hoffte, sagen zu können: ›Ja, liebe Leute, ich muss aber Rücksicht nehmen auf meinen Koalitionspartner! Und der sieht das ganz anders, und insofern kann ich diesem Ansinnen nur bedingt folgen‹«.
      So zum Beispiel kommt Graf Lambsdorff, Vorsitzender der WestFDP, zu ihm mit der Vorstellung, nach der Wiedervereinigung müsse der § 613a des BGB mehrere Jahre ausgesetzt werden. Dieser

    8.4.1990, Berlin, Haus der Parlamentarier, Lothar de Maizière und Markus Meckel (r.) auf dem Weg zur Koalitionsverhandlung

    Paragraph beinhaltet Folgendes: Kauft A von B eine Firma, kauft er die Belegschaft mit und tritt für die sozialen Verpflichtungen des vorherigen Arbeitgebers ein. Lambsdorff will Firmenkäufe ohne jegliche soziale Bindung an die Mitarbeiter ermöglichen. De Maizières Antwort: »Wissen Sie, Graf Lambsdorff, so eine asoziale Hurerei ist mit mir nicht zu machen! Das kriege ich auch nicht bei meinem Koalitionspartner durch.«
      Und auch die SPD will die große Koalition. Markus Meckel, Parteivorsitzender der OstSPD und Außenminister der Koalitionsregierung: »Wir wollten diese Vereinigung mitgestalten, das war unser zentraler Wille. Die deutsche Vereinigung sollte nicht an uns vorbeilaufen, sondern wir wollten die Dinge, die uns wichtig sind, international wie auch im Inneren, das wollten wir mitgestalten. Und wir trauten auch den anderen nicht zu, dass sie es allein gut machen würden.«
      Fraktionsvorsitzender Richard Schröder ist ein leidenschaftlicher Verfechter der großen Koalition. Und er hat einen guten Draht zum Vorsitzenden der OstCDU: »Lothar de Maizière war vielen sozial

    1.4.1990, Richard Schröder (r.) in einer Pause der Koalitionsverhandlung

    demokratischen Forderungen von sich aus schon geneigt. Es hat ja freche Zungen gegeben, die behauptet haben, Lothar de Maizière hätte auch in die SPD gepasst. Das kann man, glaube ich, auch so sagen. Dass der Übergang so weit wie möglich abgefedert wird, das war auch ein fundamentales Interesse von Lothar de Maizière.«
      Dennoch gibt es vor der Koalitionsbildung harte Auseinandersetzungen in der SPD-Fraktion. Richard Schröder versteht es, die wider strebenden Kräfte in den Prozess der Ausarbeitung des Koalitionsvertrages einzubeziehen, so dass am Ende viele sagen konnten, das Regierungsprogramm trägt auch sozialdemokratische Züge. Vor allem Wolfgang Thierse, einer von Schröders Stellvertretern in der SPD-Fraktionsspitze, ist gegen eine Regierungsbeteiligung: »Die große Koalition, das war mir schon aus grundsätzlichen Überlegungen etwas Unsympathisches. Aber dann fand ich doch in den Verhandlungen, dass man mit Lothar de Maizière eine vernünftige, belastbare Vereinbarung treffen könnte, dass wir das gemeinsame Anliegen haben, in diesem Prozess der Vereinigung vernünftige Schritte zu gehen und gegen den übermächtigen westdeutschen Partner, Helmut Kohl und seine Regierung, ostdeutsche Interessen nur gemeinsam stark vertreten könnten. Das war unsere Basis.«
      »Wir haben vor der 2. Volkskammersitzung am 12.April im Foyer der Volkskammer den Koalitionsvertrag unterschrieben, und wir haben uns bei den Koalitionsverhandlungen darüber geeinigt, welche Partei welche Ressorts bekommt. Nicht, welche Personen sie besetzen sollen, sondern die Ressorts. Allerdings hatte ich als Ministerpräsident mir ausbedungen, dass ich bei der Besetzung der Personen ein Veto-Recht habe, dass ich sage, ja gut, ihr Sozialdemokraten dürft die Posten besetzen. Aber schon bei der Besetzung der Ressorts gab es natürlich Schwierigkeiten. Die Sozialdemokraten beanspruchten selbstverständlich für sich das Ressort Arbeit und Soziales. Und ich habe damals gesagt, also das kann nicht sein, dass ihr alle Lob- und Dankministerien kriegt und wir alle Prügelministerien! Und vor allem, wer soziale Botschaften verteilen will, muss wissen, wer sie finanziert. Also Arbeit und Soziales geht an euch, wenn ihr wollt, aber dann nehmt ihr auch Finanzen. Und das führte dann zu der Konstellation Regine Hildebrandt und Walter Romberg. Dann gab es noch einen Streitpunkt. Ich habe gesagt, wir sollten eigentlich alles aus uns heraus besetzen, aber Wirtschaft, der Transformationsprozess, da sollten wir jemanden haben, der in der Marktwirtschaft zu Hause ist. Es gab da Überlegungen, Elmar Pieroth, den früheren West-Berliner Wirtschaftssenator, als Wirtschaftsminister zu berufen. Und dann sagten die Sozialdemokraten zwingend: ›Es muss ein DDR-Bürger sein!‹
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